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Politik

Der Anti-Demokrat Orbán gefährdet Europa

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
10. Oktober 2016

Viktor Orbán rächt sich an seinen Gegnern und lässt die Oppositionszeitung "Népszabadság" schließen. Aus Brüssel kommt nur vager Protest - der EU fehlen Macht und Wille, ihre Werte zu verteidigen, meint Barbara Wesel.

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Ungarn Oppositionszeitung Nepszabadsag
Die vorerst letzte Ausgabe der links-liberalen ungarischen Tageszeitung "Népszabadság" vom vergangenen SamstagBild: picture-alliance/AP Photo/A. Nagy

Die Schließung der Zeitung erfolgte per Handstreich. Schon am Sonnabend war der Mail-Server der ungarischen Zeitung "Népszabadság" abgeschaltet und bereits am Montag durften ihre Redakteure nicht mehr zur Arbeit erscheinen. "Wir haben unsere Arbeit zu gut gemacht", erklärte der Chefredakteur des links-liberalen Blattes seinen Unterstützern die Lage. Es sei Aufgabe einer politischen Zeitung, die Macht in Schach zu halten, und sie habe eben zu erfolgreich die Machenschaften des autokratischen Regierungschefs Viktor Orbán und seiner Gefolgsleute offen gelegt. Der sei wütend, weil er das Referendum zur Migration verloren habe und mache die Oppositionszeitung unter anderem dafür verantwortlich.

Orbán verhöhnt Europa und seine Regeln

In Ungarn ist zu beobachten, wie die politische Gleichschaltung eines Landes und die Machtergreifung von Orbán und seiner Fidesz-Partei abläuft. Seit Jahren wird die Medienlandschaft auf Regierungslinie gebracht: Erst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, dann bei den privaten Anbietern - mit Hilfe von Gefolgsleuten und Strohmännern. Skandalgeschichten etwa über das Geschäftsgebaren des Notenbankchefs sind nicht mehr erwünscht. Kritischem Journalismus wird der Hahn zugedreht. Mittel dafür finden sich immer: Bei "Népszabadság" ist es zuletzt die schwierige wirtschaftliche Lage, die als Vorwand für die angeblich nur vorübergehende Schließung des Blattes dient. 

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Barbara Wesel ist DW-Korrespondentin in Brüssel

Die Reaktion der EU ist schwachbrüstig

"Wir sind sehr besorgt" heißt es zu der Affäre in der EU-Kommission, und man beobachte die Situation der Pressefreiheit in Ungarn aufmerksam. Der Sprecher in Brüssel hätte auch den Wetterbericht verlesen können, so nützlich ist eine solch vage Stellungnahme. Dahinter steht die eigene Machtlosigkeit: Die EU hat keine Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten, um ihre Mitgliedsländer auf Linie zu bringen, wenn sie gegen demokratische Grundregeln verstoßen. Orbán kann ungestört die Pressefreiheit aushöhlen und eine Ein-Parteien-Herrschaft aufbauen.

Die schlimmste Strafe hierfür wäre nach bisherigen Regeln der Entzug der Stimmrechte in Europa. Aber sie kann nicht verhängt werden, weil seine Gesinnungsfreunde in der Visegrád-Gruppe den Ungarn weiter unterstützen und einen einstimmigen Beschluss verhindern werden. Orbán untergräbt die Demokratie in Europa, und niemand kann ihm in den Arm fallen. Alle wissen, dass in Europa seit einiger Zeit fundamentale demokratische Regeln gebrochen werden - aber niemand ist imstande, etwas dagegen zu tun?

Brecht endlich den Stab über Orbán!

Die Fidesz-Partei von Viktor Orbán gehört im Europaparlament nach wie vor zur Parteienfamilie der Christdemokraten. Die haben es bisher vermieden, den Kollegen die rote Karte zu zeigen, weil sie eine Stärkung der Rechtspopulisten vermeiden wollen. Nur irgendwann muss mit dieser diplomatischen Nachsicht Schluss sein: Orbán unterhöhlt systematisch und zynisch die Demokratie in seinem Land und zeigt Nachahmern, wie etwa der PiS-Partei in Polen, wie einfach das in der EU geht. Und er beweist vor allem, dass es straflos bleibt. 

Zumindest im Europaparlament müssen die demokratischen Parteien zwischen sich und den Zerstörern des politischen Pluralismus endlich eine klare Linie ziehen. Es ist ein Skandal, dass Fidesz noch in der gleichen Fraktion mit den Christdemokraten sitzen darf. Hier müssen endlich die schwiemelige Toleranz beendet und klare Worte gesprochen werden.

Darüber hinaus ist es doch ganz offensichtlich, wie man den ungarischen Regierungschef treffen kann: Rund sechs Milliarden Euro bezog Ungarn zuletzt aus der europäischen Kasse, 95 Prozent aller öffentlichen Vorhaben werden von der EU mitfinanziert. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum deutsche Steuerzahler Orbán weiter dabei helfen sollten, sich als Totengräber europäischer Werte zu profilieren und sein Land zur Diktatur umzubauen. Die europäischen Regeln machen es schwer, ihn dafür zu bestrafen. Deswegen sind hier Kreativität und politischer Wille gefragt: Es muss ein Weg gefunden werden, dem Autokraten in Budapest finanziell das Wasser abzugraben. Der Rest erledigt sich dann von selbst. 

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