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EU-Reform verabschiedet

Bernd Riegert19. Oktober 2007

In der Nacht zum Freitag war es soweit: Der EU-Reformvertrag konnte verabschiedet werden. Ein Erfolg für die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft – doch nicht nur für sie, meint Bernd Riegert.

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Die polnische Regierung hat es allen gezeigt. Mit Hartnäckigkeit und Sturheit setzt man sich durch in der EU. Am Ende der Verhandlungen über die beiden neuen EU-Verträge waren die übrigen Staats- und Regierungschefs nur noch genervt und wollten um fast jeden Preis eine Einigung. Lieber jetzt beweisen, dass wir handlungsfähig sind und dafür einen Vertrag mit vielen Fußnoten und Fußangeln in Kauf nehmen, als erneut zu scheitern - das war die Devise. Auf den polnischen Zug der Zermürbungstaktik sind kurz vor Schluss auch noch die Italiener aufgesprungen. Sie haben ebenfalls erfolgreich einen zusätzlichen Parlamentssitz ergattert.

Das Gefeilsche und Gezerre kann dem normalen EU-Bürger sowieso niemand erklären. Den polnischen Kaczynski-Zwillingen sei ein Sieg im Wahlkampf gegönnt, praktische Auswirkungen auf die EU wird die viel beschworene Ioannina-Klausel zur Abwehr von Mehrheitsentscheidungen nicht haben. Denn bislang hat es kaum jemals Kampfabstimmungen in den Ministerräten der EU gegeben. Die Ioannina-Klausel, die es schon seit Anfang der 1990er-Jahre gibt, ist nur ein einziges Mal angewendet worden.

Großbritanniens Meisterleistung

Polen kam es mehr darauf an zu demonstrieren, dass es für seine nationalen Interessen kämpfen kann. Dabei kann es sich durchaus an Vorbildern orientieren. Denn Großbritannien verstand es meisterhaft, seine Sonderinteressen durchzudrücken. Obwohl es vor drei Jahren die gescheiterte Verfassung unterzeichnet hatte, gehörte es zu den Eifrigsten, als die Leiche der Verfassung in den letzten Monaten gefleddert wurde.

Die Befürworter eines Verfassungsprojektes können dennoch darauf verweisen, dass wesentliche Bestandteile der Verfassung - etwas verwässert - gerettet werden konnten. Es wird die doppelte Mehrheit aus Staaten und Bevölkerung bei künftigen Entscheidungen geben. Die Politikbereiche für Mehrheitsentscheidungen werden erheblich ausgeweitet. Und die Mitspracherechte des frei gewählten Parlaments werden ausgeweitet.

Vertrag ohne lange Haltbarkeit

Zum epochalen, großen Wurf hat es nicht gereicht, aber der Reformvertrag ist wahrscheinlich das Beste, was unter den Umständen herauszuholen war. Sicher ist, dass der Vertrag nicht besonders lange halten wird und spätestens dann nachgebessert werden muss, wenn die Türkei der EU beitreten soll. Aber das ist im Grunde nicht tragisch, die EU hat ihre 50-jährige Geschichte immer mit Stückwerkverträgen gemeistert.

Jetzt müssen die europäischen Staats- und Regierungschefs ihre Parlamente und Völker überzeugen, dass der schwer lesbare Vertrag ratifiziert werden muss. Denn daran - an der Zustimmung der Staaten - ist die Verfassung gescheitert. Einen schönen Text gab es schon einmal vor drei Jahren, jetzt kommt es darauf an, dass er auch wirklich Volksabstimmungen übersteht und Gesetzeskraft erlangen kann.