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Cameron wird Opfer der eigenen Fehler

Barbara Wesel28. November 2014

Der britische Premier schlingert in seiner Europapolitik - statt die EU zu verteidigen, untergräbt er ihre Regeln. Das wird ihm im Kampf mit den rechtspopulistischen Europagegnern auch nicht helfen, meint Barbara Wesel.

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David Camerons Rede in Rocester 28.11.2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/O. Scarff

Der britische Premier will nun doch den ganz großen Krach mit Brüssel vermeiden. Bevor er jetzt seine lange angekündigte Rede zur Eindämmung der Zuwanderung hielt, hatte er nämlich ein paar Ideen getestet. So kündigte er zunächst eine Art Notbremse an, um Migranten aus der Europäischen Union schon an den Grenzen von der britischen Insel auszusperren: Die sei einfach voll, das soziale Netz äußerst angespannt, mehr Fremde könne man nicht integrieren.

Das richtete sich vor allem gegen neue Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, denen seit Anfang des Jahres die Arbeitssuche in Europa offen steht. Eine Weile wurde die Idee ganz ernsthaft erörtert, bis schließlich Angela Merkel dem Spuk ein Ende machte: Deutschland werde am EU-Prinzip der Freizügigkeit für Arbeitnehmer nicht rütteln, beschied sie dem britischen Premier. Damit war klar, dass er für eine so radikale Änderung der europäischen Verträge die erhoffte Hilfe nicht bekommen würde.

Die Vorschläge sind diskriminierend

Also versucht David Cameron es jetzt mit einer etwas weniger provokanten Form der Diskriminierung: Zuwanderer aus der EU sollen für vier Jahre von bestimmten Sozialleistungen für Arbeitnehmer ausgeschlossen sein, von der Vergabe von Sozialwohnungen und vom Kindergeld für den Nachwuchs in den Heimatländern. Das soll für die Migranten gelten, die einen Job haben. Wer keinen findet, soll nach sechs Monaten ausgewiesen werden können.

Brüssel hat darauf zurückhaltend reagiert: Die britischen Ideen seien Teil einer Debatte, und man werde sie ohne Drama, aber sorgfältig untersuchen. Das ist der Versuch, im Dauerstreit mit London weitere Gefühlsausbrüche zu unterbinden. Trotzdem ist klar, dass eine Ungleichbehandlung von britischen Arbeitnehmern und solchen aus der sonstigen EU im Grundsatz verboten ist.

Camerons Schlingerkurs

Der britische Premier hat in dieser Frage das Pech, dass er von seinen eigenen strategischen Fehlern eingeholt wird. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er nämlich versprochen, er werde die Zahl der Zuwanderer unter 100.000 pro Jahr drücken. Das war ein Zugeständnis an den rechten Flügel seiner eigenen konservativen Partei und der Versuch, den Aufstieg der Rechtspopulisten von UKIP auszubremsen.

Das Versprechen war Unsinn: Erstens kann er es nicht einhalten, und zweitens drängen die britischen Europagegner den Regierungschef zunehmend in die Ecke, egal was er tut und sagt. Tatsächlich zeigt die jüngste Zuwanderungsstatistik, dass angelockt von der guten Wirtschaftslage über eine Viertel Million Menschen auf die britische Insel kamen, knapp die Hälfte davon stammen aus der EU. Vor allem sie will Cameron nun irgendwie abschrecken. Aber dazu werden die angekündigten Maßnahmen auch nicht dienen: Viele osteuropäische Arbeitnehmer dürften auch mit dem britischen Mindestlohn zufrieden sein, selbst wenn sie nichts zusätzlich aus der Sozialkasse bekommen.

Porträt - Barbara Wesel (Foto: DW/Georg Matthes)
DW-Korrespondentin Barbara WeselBild: DW/Georg Matthes

David Cameron aber schlingert in seiner Haltung zu Europa von einem Schlagloch ins nächste. Er hat den Briten versprochen, er werde ihr Verhältnis mit Europa völlig neu gestalten. Auch diese weitreichende Zusage wird er nicht einhalten können. Die britischen Wähler müssen zunehmend das Gefühl bekommen, dass ihnen die Regierung in punkto Europa etwas vorgaukelt. Das könnte sich schon bei den Neuwahlen im Frühjahr rächen, und den Europagegnern bei der UK Independence Party weitere Erfolge bringen.