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Vorrang der Menschenrechte

Daphne Antachopoulos28. Februar 2008

Der Staat darf private Computer nur unter strengsten Auflagen ausspähen, sagt das Bundesverfassungsgericht. Wieso müssen solche Entscheidungen eigentlich immer vor Gericht entschieden werden, fragt Daphne Antachopoulos.

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Bild: DW

Es ist ein Urteil, das - wie eine ganze Reihe von Karlsruher Entscheidungen - dem Grundsatz folgt: Sicherheitsgesetze dürfen Grundrechte nicht aufweichen. Ebenso wie beim Großen Lauschangriff, dem staatlichen Abhören in der eigenen Wohnung, oder beim Luftsicherheitsgesetz, das den Abschuss eines von Terroristen gekaperten Passagierflugzeugs erlauben sollte, urteilten die Karlsruher Richter deutlich: Menschen- und Bürgerrechte haben Vorrang vor dem schier unstillbaren Sicherheitsbedürfnis mancher Politiker.

Das nun kassierte Gesetz aus Nordrhein-Westfalen erlaubte es, einmal auf eine Festplatte zuzugreifen und dann einfach immer weiter zu überwachen - und zwar schon dann, wenn die Behörden glaubten, so Informationen über "verfassungsfeindliche Bestrebungen" zu bekommen.

Eingriff muss genau begründet werden

Ein so massiver Eingriff aufgrund einer so vagen Begründung darf nicht möglich sein, entschied Karlsruhe: Nur wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr bestehen, die ein so hohes Rechtsgut wie Leib, Leben, Freiheit, den Bestand des Staates oder die Grundlagen der menschlichen Existenz bedroht - dann darf der Staat den Gefährder heimlich ausspionieren. Und das auch nur auf Anordnung eines Richters.

Das sind hohe Hürden - auch für ein entsprechendes Bundesgesetz. Und das sollten sie auch sein. Gerichtspräsident Papier hat wohl nicht von ungefähr erklärt, die Entscheidung weise über den konkreten Fall hinaus.

Deutliches Signal an Wolfgang Schäuble

Dieser Satz ging an die Adresse des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble, der ein entsprechendes Bundesgesetz plant. Denn sein Credo lautet: Die Vorgehensweise von Terroristen und die daraus resultierende Bedrohung ist allgegenwärtig, unsichtbar und unkalkulierbar. Also müsse der Staat sich ebensolcher Maßnahmen bedienen, um dieser Gefahr zuvorzukommen. Auch bei völlig abstrakten Gefahrenlagen soll - nach Schäubles Willen - das ganze Überwachungs- und Bekämpfungs-Instrumentarium genutzt werden.

Glücklicherweise hat Karlsruhe dem wieder einmal einen Riegel vorgeschoben: Grundrechte stehen - bei allem verständlichen Bedürfnis nach Sicherheit - nicht zur Disposition. Die Kriterien für staatliche Maßnahmen müssen sehr konkret definiert sein, vor allem dann, wenn so massiv in ein Grundrecht eingegriffen wird. Unschuldige sollen möglichst nicht mit solchen präventiven Rundumschlägen ins Visier des Staates kommen dürfen.

Schutz vor dem eigenen Staat

Und noch ein Grundsatz wurde wieder einmal in Erinnerung gerufen: Es gibt nicht nur die Sicherheit DURCH den Staat, es gibt auch die Sicherheit VOR dem Staat. Denn dort, wo jeder Bürger als potentieller Terrorist behandelt werden kann und seine Privatsphäre genauestens überwacht werden darf, sinkt der Glaube daran, dass der Staat seine Bürger auch schützen will und kann.

Wolfgang Schäuble will das Urteil berücksichtigen, hat er freundlicherweise verkündet. Es stellt sich nur die Frage, warum solche Fragen immer erst in Karlsruhe geklärt werden müssen und nicht schon in Berlin. Es kommt einem fast so vor, als testeten die zuständigen Sicherheitspolitiker immer erst einmal ihre Grenzen aus - die die Verfassungsrichter dann ziehen müssen.