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Kroatien Auslieferung

Benjamin Pargan24. Januar 2014

Kroatien hat den früheren Geheimdienstchef Perković an Deutschland ausgeliefert. Für die kroatische Gesellschaft ist das eine Möglichkeit, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, meint Benjamin Pargan.

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Benjamin Pargan, Leiter der Kroatischen Redaktion der DW
Benjamin Pargan, Leiter der Kroatischen Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

Josip Perković bleibt auch nach seiner Auslieferung die wohl bekannteste Symbolfigur für einige der offenen Wunden der kroatischen Gesellschaft. Eine davon ist der fehlende Wille für eine ehrliche und objektive Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit der ehemaligen jugoslawischen Republik. Es fehlt auch die Kraft dazu. Und die schmerzhaft vermisste moralische Integrität des politischen Establishments spielt auch eine wichtige Rolle dabei.

Gleichzeitig herrscht in Kroatien regelrecht Angst vor einer weiteren Spaltung der politisch zerstrittenen Bürger. Denn gerade durch den Fall des ehemaligen Geheimdienstoffiziers Perković ist klar geworden, dass die bisher üblichen Schimpftiraden auf die kommunistischen Geheimdienste alleine nicht ausreichen. Solche Wortmeldungen haben nichts zu tun mit einer umfassenden juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung dieser Teile der kroatischen Vergangenheit. Der Fall Perković hat noch einmal gezeigt, was Kroatien wirklich braucht: eine objektive Auseinandersetzung mit den Aktivitäten der Geheimdienste - und zwar sowohl aus den kommunistischen Zeiten, als auch aus der Zeit nach 1990, als das Land die Unabhängigkeit erklärte.

Eine unbequeme Symbolfigur

Josip Perković repräsentiert den typischen Werdegang sehr vieler Geheimdienstmitarbeiter in Kroatien und den fließenden Übergang, den sie nach dem Zerfall Jugoslawiens geschafft haben. Als hochrangiger Offizier des jugoslawisch-kommunistischen Geheimdienstes UDBA war Perković für die Bekämpfung der antikommunistischen Exil-Kroaten zuständig. Als sich dann Kroatien von Jugoslawien abspaltete, machte er einfach nahtlos weiter und baute einen neuen, nun kroatischen, Geheimdienst auf. Dabei arbeitete er eng zusammen mit den teilweise extrem nationalistisch gesinnten Exil-Kroaten, die er noch vor ein paar Monaten qua Amt verfolgt hatte. Dies störte wohl weder ihn noch seine Mitstreiter. Zusammen mit der neuen antikommunistischen Regierung arbeitete er aktiv an den Vorbereitungen für den heranziehenden Unabhängigkeitskrieg. Und diese Tatsachen machen die ohnehin komplizierte Vergangenheitsbewältigung für viele Kroaten noch verwirrender. Damit schrumpft leider auch die Bereitschaft für die notwendige Aufarbeitung.

Deshalb ist Josip Perković für die Kroaten mehr als bloß ein ehemaliger Mitarbeiter der Geheimdienste. Er erinnert sie unerbittlich an die opportunistische Zusammenarbeit der ersten unabhängigen Regierung Kroatiens mit Vertretern des kommunistischen Regimes - und an die undurchsichtigen politischen und kriminellen Verstrickungen vieler Mitglieder der Unabhängigkeitsbewegung. Nicht zuletzt erinnert er sie an die wichtige Rolle der rechtsextremen Nationalisten, die damals in Politik und Wirtschaft kräftig mitmischten.

Aber Perković erinnert auch an die vielen Zuträger der ehemaligen kommunistischen Geheimdienste. Solche Schreibtischtäter, Spitzel und Hintermänner gab es in der Kirche, an den Universitäten, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, sogar in der eigenen Familie. Für die Opfer des kommunistischen Regimes ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn sie lesen, dass von rund 850 Mitarbeitern des ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstes UDBA über 750 von den Diensten und Institutionen des unabhängigen und demokratischen Kroatiens übernommen wurden.

Eine Chance für die Opfer

Für den sozialdemokratischen Premierminister Zoran Milanović ist Perković ein Sinnbild für eine beispiellose Blamage. Der stümperhafte Versuch seiner Regierung, unmittelbar vor dem EU-Beitritt Kroatiens Perković vor dem Zugriff der deutschen Justiz mit einem maßgeschneiderten Gesetz zu schützen, endete in einem diplomatischen Fiasko. Sowohl in Brüssel, als auch in Kroatien selbst, wurde das Vertrauen in den kroatischen Rechtsstaat zu Recht heftig erschüttert. Milanović musste nach viel zerbrochenem Porzellan dann doch einlenken und bei der kroatischen Bevölkerung festigte sich die weit verbreitete Überzeugung, dass alle Politiker Leichen im Keller haben und sich gegenseitig schützen, ohne Rücksicht auf die Opfer der Geheimdienste.

Nach der Auslieferung des Ex-Geheimdienstlers Perković bleibt nur die wage Hoffnung, dass durch seine angekündigten Aussagen ein Stein ins Rollen gebracht wird und dass in Kroatien die Ängste vor einer umfassenden Lustration, also einer Entfernung von politisch belasteten Mitarbeitern aus dem öffentlichen Dienst, langsam verschwinden. Und es bleibt die Hoffnung, dass die Opfer der Geheimdienste viel lauter ihre Stimme erheben werden. Denn, obwohl fast alle Protagonisten in diesem unwürdigen Schmierentheater um Perković schlecht davon kommen, einen strahlenden Sieger gibt es doch: Die Gerechtigkeit. Der brutale Mord an einem Exilkroaten in Deutschland, für den Josip Perković mitverantwortlich sein soll, kann nach mehr als 30 Jahren wahrscheinlich endlich aufgeklärt werden.