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Kommentar: Ausgerechnet ein Oligarch könnte die Ukraine retten

Bernd Johann21. Mai 2014

Kurz vor der Präsidentschaftswahl sagt der mächtigste Unternehmer des Donbass den von Russland unterstützten Separatisten den Kampf an. Das könnte zum Frieden in der Ostukraine beitragen, meint Bernd Johann.

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Bernd Johann, Leiter der ukrainischen Redaktion der DW
Bernd Johann, Leiter der ukrainischen Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

In Europa retten Politiker Banken und andere Unternehmen, wenn Arbeitsplätze und die Finanzwelt auf dem Spiel stehen. Im Osten der Ukraine will jetzt ein Unternehmer den Frieden und die Einheit des Staates retten. Rinat Achmetow, der ebenso einflussreiche wie umstrittene Industriebaron des Donbass mobilisiert die Menschen zum Widerstand gegen die prorussischen Separatisten. Noch trauen sich viele Leute nicht auf die Straße, aber das könnte sich ändern.

Die Botschaft des Oligarchen hat es in sich: Unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl ruft der Geschäftsmann zu einem Ende des Blutvergießens auf. Er warnt vor den "Banditen" und "Marodeuren", die den Frieden in der Region aufs Spiel setzen. Und damit meint er die Separatisten und handelt auch: In der Stadt Mariupol gingen nach schweren Unruhen Männer von Achmetows privatem Werkschutz mit ukrainischen Polizisten auf Streife. Die Lage in der Schwarzmeerstadt ist seitdem nicht weiter eskaliert.

Unternehmer mit Einfluss und wirtschaftlichem Interesse

Das sind wichtige Schritte angesichts des Blutvergießens der letzten Wochen. Lange hatte der reichste Mann der Ukraine dem Treiben der Separatisten zugeschaut. Im Donbass stehen vor allem seine Werke. Achmetow ist der wichtigste Arbeitgeber der Region. Sein Wort zählt. Die Perspektiven Hunderttausender Menschen hängen direkt oder indirekt vom ökonomischen Erfolg seiner Betriebe ab und nicht von den Phrasen der Separatisten, die nur durch ihre Waffen Eindruck schinden.

Achmetow galt einst als eine treibende Kraft hinter den Bemühungen der Ukraine um ein Freihandelsabkommen mit der EU. Im Jahr 2012 pumpte er viel Geld in die Fußball-Europameisterschaft, die das Land als aufstrebende europäische Nation präsentierte. Die von Russland unterstützten Separatisten machen diesen Erfolg jetzt zunichte. An seinen Geschäften mit Russland verdient Achmetow gut. Aber noch wichtiger sind für ihn inzwischen die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Ländern der Europäischen Union. Sie sind nicht nur lukrativ. Auch einen Modernisierungsschub für die teilweise veralteten Produktionsanlagen könnten sie bewirken. Ökonomische Sanktionen des Westens hingegen würden schaden.

Unterstützung für den nationalen Dialog

Politisch eindeutig äußert sich Achmetow in der Öffentlichkeit selten. Es könnte seine Geschäfte beeinträchtigen. Aber er zog stets an vielen Strippen. Lange Zeit förderte er Viktor Janukowitsch. Dann - auf dem Höhepunkt der Polizeigewalt gegen die Protestbewegung auf dem Maidan - entzog er dem früheren Präsidenten die Unterstützung. So berichteten es ukrainische Medien. Ob wahr und unwahr: Kurz darauf machte sich der Kleptokrat Janukowitsch aus dem Staub und floh nach Russland.

Jetzt scheint Achmetow wieder seine Position neu zu bestimmen. Er unterstützt jetzt den dringend notwendigen nationalen Dialog. Inzwischen nimmt er am Runden Tisch über eine Lösung der Staatskrise teil, die der angesehene deutsche Ex-Diplomat Wolfgang Ischinger derzeit im Auftrag der OSZE zu vermitteln versucht. Wichtigstes Ziel sind jetzt vor allem die Präsidentschaftswahlen. Sie sollen am kommenden Sonntag durchgeführt werden - möglichst in der gesamten Ukraine. Achmetows Appell könnte dazu beitragen, dass das auch gelingt.

Demokratische Wahlen statt militanter Separatismus

Die bewaffneten Separatisten in der Ostukraine wollen verhindern, dass die Wahlen in den von ihnen kontrollierten Gebieten stattfinden. Doch Achmetow könnte gegen sie die Bevölkerung mobilisieren. Bislang hat die Mehrheit in der Region geschwiegen - auch aus Angst vor den Separatisten. Denn sie töten, foltern und entführen Menschen, die nicht ihrer Meinung sind. Ihre Anführer kommen aus Russland. Das wird immer deutlicher, seit die Vermummten ihre Masken fallen lassen. Der selbst ernannte "Ministerpräsident" der "Volksrepublik Donezk", Alexander Borodaj, ist so ein Beispiel: Er kommt aus Moskau und ist bekannt für seine extremistischen Parolen. Sein Geld hat er in der russischen Schattenwirtschaft gemacht.

Diesem bösen Spuk russischer Nationalisten in der Ostukraine muss ein Ende gemacht werden. Der Oligarch Achmetow hat das erkannt. Er handelt durchaus im eigenen Interesse, weil er sein Vermögen nicht an die Separatisten verlieren will. Aber sein Aufruf richtet sich auch an die Menschen. Sie sollen ihre Interessen politisch formulieren können und nicht unter dem Eindruck von Gewalt. Die Präsidentschaftswahl in der Ukraine ist dafür die Gelegenheit. Drücken wir den Menschen in der Ukraine und vor allem im Osten des Landes die Daumen, dass sie ihre demokratische Wahl treffen können - gegen die Gewalt und die Unterdrückung durch die Separatisten.