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Folgerichtig

Marcel Fürstenau1. Oktober 2008

Die schweren Verluste für die CSU bei den Landtagswahlen haben zu einem politisches Erdbeben geführt – in Bayern, aber mit Auswirkungen auf ganz Deutschland. Marcel Fürstenau kommentiert.

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Themenbild Kommentar Grafik SymbolbildBild: DW

Jede andere Partei in Deutschland oder sonstwo in Europa wäre in Jubel ausgebrochen bei einem Wahl-Ergebnis von 43,4 Prozent, wie es die Christlich-Soziale Union (CSU) bei der Landtagswahl in Bayern erzielt hat. Nicht so in dem flächenmäßig größten der 16 Bundesländer, dessen 12,5 Millionen Einwohner rund ein Siebtel der deutschen Bevölkerung ausmachen.

Bisschen Verzweiflung

Dass 43 Prozent Zustimmung eine tiefgreifende Krise auslösen und zum Rücktritt sowohl des CSU-Vorsitzenden Erwin Huber als auch, 24 Stunden später, des bayrischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein, geführt haben, ist dennoch folgerichtig. Wer vorher fast 61 Prozent der Stimmen bekommen hatte und nach 46 Jahren Alleinherrschaft plötzlich auf einen Koalitionspartner angewiesen ist, der darf schon mal ein bisschen verzweifeln.

In dieser Verzweiflung könnte man die Bayern normalerweise sich selbst überlassen. Doch dieser Fall liegt anders, weil er das Potenzial zu deutschlandweiten Auswirkungen hat, die über den Tag hinaus wirken könnten. Denn die CSU ist als bayrisches Pendant zur Christlich-Demokratischen Union (CDU) in den anderen 15 Bundesländern als Mehrheitsbeschafferin der Konservativen für ganz Deutschland unentbehrlich.

Freudloses Bündnis

Im Bundestag bilden die Schwester-Parteien traditionell eine Fraktions-Gemeinschaft. Nur gemeinsam waren CDU und CSU bei der Bundestagswahl 2005 mit 35,2 Prozent stärker als die Sozialdemokraten (34,2 Prozent), mit denen sie seitdem ein freudloses Regierungs-Bündnis bilden. Angeführt von der CDU-Abgeordneten Angela Merkel, die ohne CSU-Stimmen heute nicht Bundeskanzlerin wäre.

Dass sie das nach der Bundestagswahl 2009 weiterhin sein wird, ist seit dem Wahl-Debakel der CSU fraglicher denn je. Die Wahrscheinlichkeit einer Dreier-Koalition wächst, und das heißt noch kompliziertere politische Verhältnisse und müsamere Suche nach politischen Kompromissen. Denn die beiden Volksparteien CDU und SPD verfügen nur noch über eine Stammwählerschaft von maximal 30 Prozent, die Grenzen zwischen den politischen Milieus sind schon länger fließend, weil sich die Gesellschaft immer stärker individualisiert.

Als Mehrheitsbeschafferin ausgedient

Ein Trend, von dem auch das ländlich-katholisch geprägte, dabei wirtschaftlich sehr erfolgreiche Bayern nicht verschont bleibt. Eine Entwicklung, die von der im Wortsinne staatstragenden Christlich-Sozialen Union unterschätzt wurde. Dennoch wird sie im Süden Deutschlands weiterregieren. Von Berlin aus betrachtet könnte sie nach der nächsten Bundestagswahl in der Bedeutungslosigkeit versinken, wenn es keine Mehrheit für das so genannte bürgerliche Lager geben sollte. Die CSU hätte dann als Mehrheitsbeschafferin für die CDU ausgedient.