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Fußball und Integration

Baha Güngör26. Juni 2008

Das Halbfinale zwischen Deutschland und der Türkei war ein schönes, friedliches Fußballfest. Ob Fußball auch die Integration nachhaltig verbessern kann, ist aber fraglich. Ein Kommentar von Baha Güngör.

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Bild: DW

Der Kelch ist sowohl an Deutschland als auch an den deutsch-türkischen Beziehungen vorbei gegangen. Deutschland steht im ersehnten EM-Finale am Sonntag in Wien. Die Türken haben die beste Leistung dieses Turniers gezeigt und dennoch unglücklich verloren. So gingen sie aber erhobenen Hauptes vom Platz und das war auch gut so. Am Ende war das Glück mit den Farben der deutschen Fahne bestrichen: Schwarz, Rot, Gold…

Baha Güngör DW Türkische Redaktion
Baha Güngör, Leiter der Türkischen Redaktion

Die befürchteten Ausschreitungen blieben auf wenige Ausnahmen in Ostdeutschland aus. Die Türken feierten vor Riesenleinwänden in deutschen Städten Seite an Seite mit den Deutschen. Nach dem Spiel gab es Glückwünsche, die Deutschen waren es diesmal, die mit ihren Autos hupend durch die Innenstädte zogen. Den Türken blieb nur übrig, Beifall zu klatschen und mitzuhupen. Nunmehr können sie auch wieder Deutschland unterstützen. Das machen sie eigentlich immer, nur dann nicht, wenn es gegen die Türkei geht.

Nach den Aufrufen der Mannschaftskapitäne Michael Ballack und Rüstü Rencber gegen den Rassismus und den Zeremonien war es besonders wichtig, dass beide Mannschaften diszipliniert spielten. Grobe Fouls, umstrittene Entscheidungen oder unschöne Szenen wie etwa Streitereien zwischen Spielern oder gar Rudelbildungen auf dem Platz gab es nicht. Die Fairness und der freundschaftliche Umgang miteinander auf dem Rasen übertrugen sich auf die Ränge in Basel ebenso wie auf alle Fanmeilen in Deutschland ebenso wie in der Türkei.

Fußball kann nicht alles

Vor dem Spiel wurde oft von einem "Integrationsfestival" gesprochen. Nun, die Bilder haben schon das Gefühl vermittelt, als ob diese Erwartung in Erfüllung gegangen ist. Aber es wäre doch übertrieben, vom Fußball als Sport zu erwarten, die Fehler von Regierungen, Politikern und Parteien in Sachen Integration und Toleranz wettzumachen. Dazu ist der Fußball nicht in der Lage und er wäre auch gänzlich überfordert.

Ob dieses erfreulich positive Spiel jetzt der Integration neue Impulse verleihen wird, wäre zu hoffen, ist eher unwahrscheinlich. Der Alltag von Türken und Deutschen ist immer noch von Vorurteilen geprägt, von zu hohen Erwartungen an die andere Seite. Der Fußball ist und bleibt die schönste Nebensache der Welt für Deutsche und Türken. Die Sorgen aber bleiben auch bestehen. Die Türken fühlen sich mehrheitlich von Deutschen falsch verstanden, die Deutschen glauben nicht an den Integrationswillen der Türken. Die deutschen Ängste vor der anderen Kultur und der anderen Religion der Türkei werden leider fortbestehen.

Bleibt die Hoffnung darauf, dass künftig bei Wahlkämpfen die Türkei und die Türken in Europa nicht als Themen missbraucht werden. Es darf kein neues Öl ins Feuer gegossen werden, wenn es um die deutsch-türkischen Beziehungen geht. Diese sind traditionell gut und haben viele Tiefs überstanden. In Basel im Stadion und in Deutschland wurde jedenfalls vor Augen geführt, dass in Sachen Integration und friedliches Zusammenleben die Menschen sehr viel weiter sind als Politiker und Parteien.