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Kommentar: Antworten vom Kaiser

Jens Krepela24. Oktober 2015

Alle melden sich zu Wort: Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger, sein Nachfolger Wolfgang Niersbach und sogar die FIFA. Nur die entscheidende Figur schweigt. Das muss sich dringend ändern, meint DW-Sportredakteur Jens Krepela.

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Wolfgang Niersbach und Franz Beckenbauer vom WM-OK auf einer Pressekonferenz 2005 in Leipzig (Foto: Peter Endig/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Endig

Natürlich war er eingeladen am Freitagabend zur feierlichen Eröffnung des deutschen Fußballmuseums in Dortmund: Er, der Weltmeister-Kapitän, der Weltmeister-Teamchef, Deutschlands Jahrhundertfußballer - Franz Beckenbauer. Doch er kam nicht. Statt Interviews und Autogrammen hätten alle von ihm nur eines gewollt: Antworten.

Schweigen macht verdächtig

Genau die muss er jetzt schnellstmöglich liefern. Denn schließlich war es sein größter Coup als Funktionär, die Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland geholt zu haben. Wie das gelang und was wirklich hinter dem anrüchigen Millionendeal steckt, muss er als Chef des Bewerbungskomitees aufklären können. Beckenbauers Schweigen lässt die Annahme, dass dabei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, fast zur Gewissheit werden. Warum sonst sollte er eine Erklärung schuldig bleiben?

Daran, dass es eine schwarze Kasse und mutmaßliche Korruption gegeben hat, lässt Theo Zwanziger in der jüngsten Wendung der Affäre keinen Zweifel. Seinen - von ihm ungeliebten - Nachfolger Niersbach bezichtigt er sogar offen der "Lüge". Diejenigen, die das als reinen Rachefeldzug abtun, liegen falsch. Erstens war Zwanziger selbst in den Vorgang involviert. Auch wenn er juristisch dafür offenbar nicht zu belangen ist, beschädigt er damit doch seinen eigenen Ruf. Zweitens hat er sich nach Aussage seines Anwalts Hans-Jörg Metz zuvor bemüht, den Vorgang gemeinsam mit den damals Beteiligten Beckenbauer, Niersbach und dem ehemaligen DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt öffentlich zu machen. Vergeblich. Nun erst habe er seine Sicht der Dinge präsentiert.

Theo Zwanziger FIFA Sportfunktionär (Photo by Philipp Schmidli/Getty Images)
Erhebt schwere Vorwürfe: Theo ZwanzigerBild: Getty Images/P. Schmidli

Von allen Versionen, die auf dem Markt sind, klingt sie schlicht am Plausibelsten. Fakt ist, dass Korruption in FIFA-Kreisen an der Tagesordung war. Fakt ist ebenso, dass die Entscheidung zugunsten Deutschlands nur durch eine überraschende Enthaltung des neuseeländischen Vertreters äußerst knapp mit zwölf zu elf Stimmen fiel. In diesem Licht betrachtet lässt eine über Umwege eingefädelte und erst Jahre später zurück gezahlte Millionensumme ohne genaue Zweckangabe wenig Interpretationsspielraum. Warum sollte ausgerechnet Deutschland auf lauterem Weg zu einem sportlichen Großereignis kommen, wenn Korruption bei der Vergabe allzu häufig eine Rolle spielte?

Niersbach gerät unter Druck

Diese Logik muss DFB-Präsident Wolfgang Niersbach mit seiner Wahrheit nun durchbrechen, wenn er die Ehre der deutschen WM-Bewerbung und möglicherweise sein Amt retten will. Sein erster Versuch dazu ging völlig daneben. Die von ihm, offenbar in Rücksprache mit Franz Beckenbauer, präsentierte Erklärung auf einer Pressekonferenz lag nur Stunden später in Trümmern. Abseits der Dementis von FIFA und ihrem suspendierten Präsidenten Sepp Blatter blieb vor allem eine Frage unbeantwortet: Warum sollte sich ein solventer Verband wie der DFB nicht einfach das Geld bei einer Bank leihen anstatt bei einem französischen Milliardär? Eine Frage an Beckenbauer, der, nach Zwanzigers Aussage, den entsprechenden Schuldschein unterschrieben hat.

Jens Krepela
DW-Sportredakteur Jens KrepelaBild: Privat

Das Schweigen des Kaisers bringt nicht nur Niersbach in Bedrängnis, es schadet auch den Interessen des deutschen Fußballs. Denn je länger sich die Aufklärung dieser Affäre hinzieht, desto länger ist der DFB gelähmt. Mit Blick auf Deutschlands Einfluss im Weltfußball ein ungünstiger Moment. In Zeiten, in denen der Fußball-Weltverband FIFA unter dem Druck tiefgreifender Korruptionsermittlungen im Begriff ist, sich neu zu sortieren, wäre der DFB gefragt, dort als starker Verband die Richtung mitzubestimmen. Das ist jetzt undenkbar. Die dafür nötige Glaubwürdigkeit könnte in Teilen erst dann zurück kehren, wenn es den Funktionären gelänge, solch anrüchige Deals in den eigenen Reihen zügig aufzudecken und zu sanktionieren.

Schnelle, externe Untersuchung ist richtig

Vor diesem Hintergrund ist Niersbach eines zugute zu halten: Gemeinsam mit dem DFB-Präsidium, das ihm trotz der neuerlichen Vorwürfe ausdrücklich das Vertrauen ausgesprochen hat, hat er eine externe Untersuchung auf den Weg gebracht. Eine wichtige und richtige Entscheidung. Die internationale Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer soll den Vorgang durchleuchten. Laut DFB wird sie "in Kürze mit den Befragungen beginnen". Die Juristen werden auch Beckenbauer befragen wollen. Hoffentlich bricht er sein Schweigen bald.