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Kommentar: Annan kritisiert westliche Medien zu Recht

Peter Philipp10. Februar 2006

UN-Generalsekretär Annan hat sich am Donnerstag (9.2.) zum Karikaturenstreit geäußert und gemahnt, die Freiheit der Presse sollte keine Ausrede sein, um Religionsgemeinschaften zu beleidigen. Peter Philipp kommentiert.

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"Kofi Annan sagte eigentlich nur das Selbstverständliche"Bild: AP
Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

UN-Generalsekretär Kofi Annan gebührt ein Wort der Anerkennung. Mit nachdrücklichen Worten hat er an alle Beteiligten appelliert, zur Besinnung und Vernunft zu kommen und zu deeskalieren, statt weiter an der Schraube von Verunglimpfung und Gewalt zu drehen. Besonnene Worte wie die von Annan sind leider allzu selten geworden in einer Zeit, in der moralische Empörung - oder was dafür gehalten wird - Menschen im Streit um die Mohamed-Karikaturen mobilisiert und in der vom "Kampf der Kulturen“ orakelt wird. Dieser "Kampf" forderte im Orient bereits die ersten Todesopfer. Dagegen werden im Westen Barrikaden jeder Art zum vermeintlichen Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit errichtet.

Pressefreiheit ist kein Freibrief

Dabei hat der UN-Generalsekretär gar nichts Sensationelles gesagt, sondern nur das eigentlich Selbstverständliche: Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, warum europäische Medien immer wieder die umstrittenen Karikaturen nachdruckten und damit Öl ins Feuer gössen. Pressefreiheit sei doch kein Freibrief, sondern müsse mit Verantwortungsbewusstsein und Urteilsvermögen genutzt werden. Gleichzeitig aber könne und dürfe Gewalt keine Antwort sein. Schon gar nicht gegen Unschuldige, die mit der Veröffentlichung der Karikaturen nichts zu tun haben. Um solche Ereignisse in Zukunft zu verhindern, müsse die Frage der Menschenrechte neu erörtert und geklärt werden, damit künftig klar sei, welchen Stellenwert Pressefreiheit auf der einen und religiöse Freiheit auf der anderen Seite habe.

Minimum an gesundem Menschenverstand nötig

Mit Konventionen und Gesetzen allein wird man solche Dinge allerdings nicht unterbinden können. Dazu gehört nun einmal auch ein Minimum an gesundem Menschenverstand und - mehr noch - Menschlichkeit. Ein solches hätte in Dänemark die Erstveröffentlichung der Karikaturen verhindern sollen. Zugleich hätte es auf muslimischer Seite aber auch dazu führen müssen, dass man den Fall als geschmacklose Entgleisung einer Zeitung abtut und nicht zum Fanal eines Kulturkampfes erklärt.

Zu Recht kritisiert Annan die erneute Veröffentlichung der Karikaturen in anderen Medien. Rein juristisch könnten diese sich darauf berufen, sie müssten ihren Konsumenten gegenüber doch dokumentieren, worum es bei dem Streit überhaupt gehe. Das aber tun sie keinesfalls. Stattdessen halten sie den Abdruck für eine Heldentat zur Verteidigung der Meinungsfreiheit. Obwohl inzwischen doch auch der letzte Dummkopf wissen dürfte, wie explosiv die Situation ist.

Wiederabdruck der Karikaturen ist mutwillige Brandstiftung

Zugegeben: Es wirkt merkwürdig, wenn etwa die täglichen Diskussionssendungen im Fernsehen sich darauf beschränken, die Karikaturen nur mit Worten zu beschreiben und man auch inkriminierende Beispiele aus der Vergangenheit nur erwähnt, aber nicht vorführt. Inzwischen dürfte aber jeder wirklich Interessierte längst wissen, worum es dabei geht. Dazu gibt es das Internet und andere Möglichkeiten. Man muss sich nicht zum Helfershelfer der törichten Demagogie machen, die hinter dem Karikaturenstreit steht.

Und wer dennoch glaubt, er müsse die umstrittenen Zeichnungen jetzt noch veröffentlichen, der muss sich den Vorwurf der mutwilligen Brandstiftung gefallen lassen. Treffender hätte Kofi Annan dies kaum verurteilen können.