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Angst, Hass und Größenwahn

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Ines Pohl
1. Februar 2016

Viele Amerikaner sind nach den acht Obama-Jahren frustriert und wenden sich in zynischem Trotz den Außenseitern zu. Das macht Donald Trump zu einem Anwärter auf den Sieg der ersten Vorwahlen in Iowa, meint Ines Pohl.

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US Wahlen Symbolbild Flaggen
Bild: Reuters/J. Young

Jeder gewählte Politiker enttäuscht seine Wählerinnen und Wähler. Weil im Wahlkampf Erwartungen geweckt werden, die nicht zu halten sind. Das darf man kalkuliertes Lügen nennen. Dazu kommt die Selbstüberschätzung. Vielen dürfte nicht klar sein, wie wenig sie, einmal Amtsinhaber, tatsächlich bewirken können. Das gilt auch und besonders für den Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Barack Obama hat bei seiner letzten großen Rede an die Nation sehr ehrlich darüber gesprochen, wie wenig er, erst einmal Teil des Apparates, letztlich von seinen Träumen und Hoffnungen umsetzen konnte.

Der gescheiterte Traum der Ära Obama

Enttäuscht ist dabei nicht nur er selbst. Enttäuscht sind die vielen Millionen, die an ihn und sein "Change und Hope" geglaubt haben. Die selbst, wenn sie ihn nicht gewählt haben, doch hofften, dass dieser energiegeladene Neuling, dieser erste schwarze Präsident, dieser Außenseiter das Land würde neu erfinden können. Dass er die korrupten Strukturen des großen Geldes aufbrechen und Amerika wieder zu dem machen würde, worauf dieses Land so stolz ist: Eine echte Demokratie, in der mit harter Arbeit fast jeder Traum wahr werden kann.

Dieser Traum ist gescheitert. Und viele enttäuschte Demokraten haben sich in einer ganz grundsätzlichen Abscheu von der etablierten Politik abgewendet. Davon profitieren die Außenseiter. Darüber hinaus werden von vielen republikanischen Parteigängern die Gleichberechtigung von Homosexuellen und das menschenwürdigere Einwanderungsgesetz nicht als zivilisatorische Errungenschaften gefeiert, sondern als Angriff auf die guten alte Zeiten. Ihre Ablehnung gegen den verantwortlichen Obama ist nicht selten gänzlich unverstellter rassistischer Hass. Fast wie eine zynische Trotzreaktion nehmen sich vor diesem Hintergrund die Kandidaten der Republikaner aus.

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Ines Pohl ist DW-Korrespondentin in Washington

Am Montag beginnen die Spiele. Iowa ist der erste der insgesamt 50 Staaten, in denen die Bürger darüber abstimmen, mit welchem Kandidaten oder welcher Kandidatin die beiden Parteien um das Weiße Haus kämpfen. Und alles ist möglich.

Kandidatenkür in einem gespaltenen Land

Die Wahlen 2016 finden in einem zutiefst verunsicherten und gespaltenem Land statt, in dem es zwischen den Extremen nur wenig Platz für ausgeruhte Argumente gibt. Die alten Gewissheiten der weißen Mehrheit sind endgültig Geschichte. Weite Teile der Mittelklasse haben Angst, dass ihr Abstieg sich ungebremst fortsetzt, während gleichzeitig die Superreichen immer mehr Geld anhäufen. Zehn Prozent der reichsten Haushalte verfügen mittlerweile über mehr als die Hälfte aller Einkommen.

Unter Obama hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich nicht verringert. Im Gegenteil.

Die Rhetorik der Debatten ist geprägt von einer Mischung aus Angst, Hass und Größenwahn. Sie greift Raum in einer Welt, die immer unberechenbarer, immer komplexer wird. Einer Welt, in der die USA keine klar definierte Rolle mehr spielt. Das nagt am Selbstbewusstsein. In dieser Gemengelage, wächst die gefährliche Sehnsucht nach einfachen Antworten und nach starken Führern, die die nationalistischen Interessen des eigenen Landes ungebrochen an die erste Stelle rücken. In diesem Punkt dürfen Parallelen gezogen werden zu dem, was sich derzeit in Europa abspielt.

Alles ist möglich für Donald Trump

All das ist der Nährboden für den Multi-Millionär Donald Trump. Was lange niemand glauben wollte, kann nun tatsächlich wahr werden. Es ist gut möglich, dass der Reality TV-Star mit den Vorwahlen in Iowa und New Hampshire den Grundstein legt zu seiner Nominierung durch die Republikaner. Und will man den derzeitigen Umfragen glauben, ist dann ist alles möglich. Sogar der ein Einzug ins Weiße Haus.

Die Menschen mögen seinen ungebrochenen Wunsch, zu siegen. Seine Selbstbezogenheit wird ihm als Stärke ausgelegt. Seine Anhänger fragen nicht, wie er seine viele Millionen verdient hat. Für sie ist sein vergoldeter Trump-Tower in New York ein Zeichen der Unabhängigkeit.

Noch hat das Establishment der Republikaner keine Antwort auf das anhaltende Hoch des Geschäftsmannes gefunden, der es wie kein anderer versteht, die Schlagzeilen zu dominieren und die Sitten der Republikanischen Partei genau so mit Füßen tritt, wie er andere Anstandsregeln missachtet, Frauen beleidigt, rassistisch über Muslime und Inder herzieht. Alle Aufmerksamkeit wird sich darauf richten, wie Donald Trump abschneiden wird bei diesen Spielen ohne Grenzen.

Clintons erste Konfrontation mit der Realität

Für die Spitzenkandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, ist der Startschuss in Iowa wichtig, weil er eine erste Konfrontation mit der Realität ist. Aber selbst wenn Außenseiter Bernie Sanders, das liberale Pendant zu Trump, sich gegen das Clinton-Imperium bei diesen ersten Wahlen durchsetzen sollte, hat die ehemalige First Lady noch die zweiten Vorwahlen in New Hampshire am 9. Februar, um einen wirklichen Fehlstart zu vermeiden. Auch das weiß Trump. Und er wird all die bizarre Aufmerksamkeit entsprechend genießen.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl