1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Achsenbruch unwahrscheinlich

Noll Andreas Kommentarbild App
Andreas Noll
6. Juli 2015

Während in Deutschland die Geduld mit Griechenland offenbar am Ende ist, wirbt Frankreich um Verständnis für Athen. Doch auf Präsident Hollande sollten sich die Griechen lieber nicht verlassen, meint Andreas Noll.

https://p.dw.com/p/1FtjW
Deutschland Frankreich Symbolbild Fahnen
Bild: picture-alliance/dpa/Hanschke

In dieser an blumigen Sprachbildern nicht armen Krise war es der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der am Wochenende zum ultimativen Vergleich ausholte: "Es darf nach dem Nein der Griechen keinen neuen Versailler Vertrag der Euro-Zone geben", warnte er vor einem allzu harten Umgang mit der griechischen Führung. Und aktivierte damit bei seinen Zuhörern das Bild eines Kontinents, der in Blut und Chaos versinkt. Damals, als sich Frankreich und Deutschland als Erbfeinde in Europa gegenüberstanden.

Aus den Feinden von einst ist schon lange - noch so ein blumiges Bild - die deutsch-französische Achse geworden, die der Europäischen Union die Richtung vorgibt. Welche das derzeit ist, darüber könnte man allerdings rätseln. Ob Macron, Finanzminister Michel Sapin oder Präsident François Hollande: Wenn sich französische Regierungspolitiker zu Griechenland äußern, klingt regelmäßig mehr Verständnis für die Zwänge der griechischen Regierung durch als bei ihren deutschen Amtskollegen. Plädiert Frankreich im Endlospoker mit Athen für einen Kompromiss um jeden Preis?

Sympathien für Athen

Gründe dafür gäbe es. Es sind nicht nur die Parteien im extremen linken und rechten Lager, die Tsipras für seinen Kamikaze-Politikstil Beifall klatschen. Auch innerhalb der sozialistischen Regierungspartei hegt der linke Flügel deutliche Sympathien für den Draufgängerpolitiker, der Verträge und Vorschriften im Zweifelsfall beiseitewischt und sich lieber auf den Volkswillen - den Primat der Politik - beruft. Diese Haltung ist dem Volk, das den Maastricht-Vertrag nur hauchdünn per Referendum passieren ließ, nicht fremd. Gut möglich, dass Ex-Bildungsminister Benoît Hamon Recht hatte, als er nach dem griechischen Nein twitterte: "Die Franzosen hätten wie die Griechen abgestimmt." Zumal der heutige Präsident früher mit ähnlichen Ideen auf Stimmenfang gewesen ist. François Hollande ist vor drei Jahren in den Elysée-Palast gewählt worden, auch weil er im Wahlkampf den Kampf gegen Merkels Austeritätspolitik in den Mittelpunkt gestellt hatte. Einmal im Amt, schaltete Hollande dann aber schnell auf "Regierungsmodus".

Doch bei aller Sympathie und Sehnsucht nach laxeren Regeln in Europa, ein Bruch der deutsch-französischen Achse in dieser Krise ist unwahrscheinlich. Dafür fehlt Paris zunächst einmal die Kraft. Das Land droht in dieser Krise selbst zum Opfer zu werden. Die "Frexit"-Debatte wird unter französischen Experten ernster geführt, als man sich das in Deutschland vorstellen kann. Dabei geht es natürlich nicht um heute, nicht um morgen, aber womöglich um übermorgen.

Schwaches Frankreich

Es ist nur wenige Tage her, dass die Statistiker eine alarmierende Zahl veröffentlichten. Nur knapp schaffte Frankreich die symbolisch wichtige Grenze einer Staatsverschuldung von unter 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Und schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Wenn die französischen Medien in den dramatischen Tagen der Griechenlandkrise über dringend sanierungsbedürftige Sozialsysteme und Reformträgheit berichteten, hätte auch ihr eigenes Land gemeint sein können. Aus dieser Position lässt sich kein Machtkampf mit Deutschland lancieren.

Porträt Andreas Noll (Foto: DW)
DW-Redakteur Andreas NollBild: Privat

Aber Hollande kann für eine politische Aufwertung im Führungsduo kämpfen, in dem seit Monaten Berlin den Takt vorgibt - ob nun beim Thema Ukraine oder Griechenland. Wenn Frankreich als Vermittler sein politisches Gewicht etwas steigern könnte, hätte im Elysée-Palast niemand etwas dagegen. Empfohlen für diese Rolle hatte sich der Präsident im Übrigen schon, bevor die deutsche Ungeduld mit Griechenland mit Händen zu greifen war. Es war der Sozialist Hollande, der Tsipras nach dessen Wahl zum Regierungschef im Januar als Erster empfangen hat.

Ob Hollande die Chance zur Vermittlung geboten bekommt, ist allerdings fraglich. Längst befindet sich Griechenland auf einer abschüssigen Bahn, von der es womöglich auch Frankreich bei aller öffentlichen Sympathie nicht mehr retten kann. Gut möglich, dass die französischen Bemühungen nur für das Publikum daheim sind. Am Ende werden die beiden Schwergewichte Berlin und Paris eine gemeinsame Haltung zu Griechenland vertreten und damit auch in dieser Krise den europäischen Kurs bestimmen. Auf einen dauerhaften Konflikt mit Merkel kann es Hollande nicht ankommen lassen - es wäre für ihn politischer Selbstmord.

Und dann ist da ja auch noch das französische Geld. Je nach Rechnung steht Frankreich mit 40 bis 60 Milliarden Euro "im Feuer". Das dämpft Hollandes Kompromissbereitschaft bei der zentralen griechischen Forderung nach einem Schuldenschnitt. Wenngleich die Franzosen mit Sympathie für den griechischen Aufstand nicht geizen - Geld hat auch Paris nicht zu verschenken. Das ist heute nicht anders als zu Zeiten des Versailler Vertrages.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!