Kolumbiens Stadt der Goldgräber
Kilometerlange Tunnel, Akkordarbeit, verseuchte Flüsse - in der nordkolumbianischen Stadt Segovia wird seit über 150 Jahren Gold abgebaut. Jeder Arbeitsplatz ist direkt oder indirekt mit dem Edelmetall verbunden.
Pulsschlag aus Gold
Von den rund 50.000 Einwohnern Segovias arbeiten knapp 12.000 direkt in den Minen. Andere waschen das Gold, handeln damit oder sind in anderer Form am Gewinn beteiligt. Der Goldpreis wirke sich auf die Stimmung in der Stadt aus, erzählen die Einwohner. Ist er über längere Zeit im Keller, ist sie gedämpft. Steigt er, werden die Nächte oft lang.
Die letzten Krümel
An den Flüssen fischen die Goldschürfer die restlichen Partikel aus dem Wasser. Flussaufwärts hat der kanadische Konzern "Gran Colombia Gold" eine große Mine. Das Wasser aus der Goldproduktion leitet er wieder in die Flüsse zurück.
Rund um die Uhr
Der Bodenschlamm wird so lange mit Wasser verdünnt, bis feinste Krümel sichtbar werden. Dafür braucht es Glück und vor allem Ausdauer. Die Schürfer teilen sich deshalb meistens ihre Waschrinnen. Dabei wechseln sie sich nach zwölf Stunden ab - Tag und Nacht.
"Gott hat uns gesegnet"
Jesús Loiza ist Teilhaber einer Mine und davon überzeugt, dass "alles hier in Segovia am Gold" hängt. Für ihn hat sich die Arbeit bereits ausgezahlt. Er wohnt er in einem eigenen Haus und besitzt einen kleinen Laden. "Meine Kinder haben Dank des Goldes eine bessere Zukunft."
Eine Stadt über Tunneln
Für das goldhaltige Material müssen er und seine Leute sich manchmal monatelang in die Tiefe graben. Momentan arbeiten sie 500 Meter unter der Erde. Seit mehr als 150 Jahren wird in Segovia Gold abgebaut. Ein Labyrinth von Tunneln zieht sich deshalb unterhalb der Stadt entlang.
Ausreichender Schutz?
Am Eingang von Loizas Mine spendet eine Heiligenfigur den Arbeitern noch einen Segen. Bei ihm sei noch niemand durch einem Einsturz ums Leben gekommen, versichert Loiza. Dennoch geschehe das wegen der schlechten Sicherheitsstandards häufig. Statistiken dazu gibt es nicht. Die meisten Minen sind nicht offiziell registriert.
Lukrative Arbeit
Sind die Bergarbeiter auf eine goldhaltige Ader gestoßen, gibt es für einfache Tätigkeiten bis zu 500 Dollar die Woche - soviel wie der monatliche Durchschnittslohn in Kolumbien. Dafür steigen die Arbeiter aber auch sechsmal am Tag eine halbe Stunde in die Mine hinab und wieder hinauf - mit 50 Kilogramm auf dem Rücken.
Das "neue Kokain"
Die hohen Gewinnmargen beim Gold haben auch die in Kolumbien weitverbreiteten bewaffneten Gruppen in die Stadt gelockt - von der Guerilla bis zu einfachen kriminellen Banden: "Jeder hier zahlt denen Schmiergeld", heißt es hinter vorgehaltener Hand. Auch Loiza bestätigt das: Gold sei für diese Gruppen das "neue Kokain".
Schleudern, waschen, kochen
Das Gold aus dem Gestein zu lösen, erfordert einen weiteren Schritt: In rund 80 Goldwäschereien der Stadt wird das Material zuerst in runden Stahlbehältern zermalmt. Kleine Stahlkugeln dienen dabei als Schredderhilfen. Danach kommen Chemikalien zum Einsatz.
Giftiger Helfer
Das gemahlene Gesteinspulver kommt mit Quecksilber (Bild) und Zyanid in ein Becken mit Wasser. Dort verbinden sich die Stoffe mit den Goldkrümeln und formen einen kleinen Klumpen. Um nun das Gold von den Chemikalien zu trennen, wird der erhaltene Materialklumpen erhitzt. Bei 360 Grad bleibt nur noch das Gold übrig. Der Rest verdampft.
Suche nach Alternativen
Hildardo besitzt eine Goldwäscherei. Er weiß, dass seine Arbeit die Umwelt schädigt und will auf alternative Methoden umsatteln. "Meine Kinder sollen auch noch in Segovia leben können", sagt er. Die Region gilt laut Studien als eine der am stärksten mit Quecksilber belasteten Orte weltweit. Das Leitungswasser aus dem Hahn und die Fische aus dem Fluss sind gesundheitsgefährdend.
Kein Einzelfall
Der Goldrausch zieht sich durch das ganze Land - bis zum abgelegenen Amazonas. So wird in 20 von insgesamt 32 Provinzen des Lands gebuddelt, gesprengt und gesiebt. Eine Gefahr für Mensch und Natur. Denn Kolumbien vereint zehn Prozent aller Tier- und Pflanzenarten des Planeten, obwohl die Fläche des Landes weniger als ein Prozent der Erde umfasst.