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Kolumbiens Aufbruch

Manuela Kasper-Claridge7. April 2012

Lange haben Drogenkriege und bewaffnete Konflikte Kolumbien schwer zugesetzt. Nun aber erlebt das südamerikanische Land einen wirtschaftlichen Aufschwung. Davon wollen auch deutsche Investoren profitieren.

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Lastwagen auf einer Straße in der Nähe von Santa Marta, Kolumbien (Foto: DW/Manuela Kasper-Claridge) 1) + 2) Auf der Straße von Bogota nach Santa Marta
Bild: DW

In 30 Minuten sind wir nur 200 Meter weit gekommen. In Bogota regnet es in Strömen, der Autoverkehr ist völlig lahm gelegt. In der kolumbianischen Hauptstadt sind viele Straßen überschwemmt, Schlaglöcher, die Kratern ähneln, verschlucken Kleinwagen, die dann mit gebrochener Achse liegen bleiben. Die Kolumbianer ertragen es mit Fassung. Sie sind Dauerstau gewöhnt. Zwei Stunden Fahrzeit von Bezirken mittlerer Lage zum Zentrum der Stadt sind tagsüber üblich. Wenn es dann noch regnet, heißt es Nerven bewahren.

Geld und Wachstum

Doch dann klart der Himmel auf. Die majestätischen Anden, die Bogota umrahmen, liegen im strahlenden Sonnenlicht. Endlich im Zentrum angekommen, fällt der Blick auf schicke Boutiquen: Boss, Prada, Gucci. Die Menschen hasten mit gefüllten Einkaufstaschen in gläserne Einkaufszentren. Im Parkhaus Audi, BMW, Ferrari – die Autos der Oberklasse. Kolumbien erlebt einen Wirtschaftsboom. Das Wachstum liegt bei über sechs Prozent.

"Die ganze Region brummt", erzählt Thomas Voigt, Hauptgeschäftsführer der deutsch-kolumbianischen Handelskammer. Das Wachstum sei recht stabil, die Handelskammer erhält verstärkt Anfragen deutscher Unternehmen. Das rohstoffreiche Kolumbien ist mit 42 Millionen Einwohnern ein interessanter Markt. Es verfügt über Zugänge zum Pazifischen Ozean und zum Karibischen Meer und ist Nachbar von Venezuela, Brasilien, Peru, Panama und Ecuador. "Hier ist der Marktzugang viel leichter als zum Beispiel in Brasilien", erzählt Voigt. Die Zollsätze seien mit maximal 15 Prozent niedrig, für viele Produkte gebe es gar keine Zölle mehr. Mitte des Jahres könne zudem das Freihandelsabkommen mit der EU in Kraft treten.

Aufnahmedatum: März 2012 Aufnahmeort: in der Nähe von Santa Marta, Kolumbien aufgenommen von: Manuela Kasper-Claridge
Der Export von Kohle ist eine Stütze der kolumbianischen Wirtschaft, aber auch andere Rohstoffe sind wichtig: Zum Beispiel Palmöl, das in der Nähe von Santa Marta gewonnen wird.Bild: DW

Mercedes investiert

Unter den Staaten der Europäischen Union ist Deutschland der wichtigste Handelspartner für Kolumbien. Mercedes hat gerade in Bogota ein Montagewerk für Busse eröffnet. "Die Unternehmen, die aktiv sind, die in den Markt gehen, machen alle Gewinne", behauptet Voigt. "Jedes Produkt, das marktfähig ist, kann man im Prinzip verkaufen. Es ist ein bisschen wie in Deutschland in den 1950er Jahren."

Doch noch leidet Kolumbien unter seinem Image als gefährlicher Standort. Der Kampf von Ex-Präsident Uribe gegen die Terrororganisation FARC und gegen die Drogenkartelle hat das Land jahrelang in den Ausnahmezustand versetzt.

Bewaffnete Soldaten auf den Straßen

Heute ist davon wenig zu spüren. Die Sicherheitslage in den Metropolen des Landes, insbesondere Bogota, ist mit der in anderen Großstädten Lateinamerikas vergleichbar, so das deutsche Auswärtige Amt. Allerdings werden die Überlandstraßen nach wie vor vom Militär kontrolliert, alle paar Kilometer stehen schwer bewaffnete Soldaten, die einen Blick in den Kofferraum werfen wollen oder auch nur einen schönen Tag wünschen.

Dem konservativen Präsidenten Juan Manuel Santos ist es gelungen, die angeschlagenen Beziehungen zu Venezuela und Ecuador zu kitten. Santos setzt ganz auf den Ausbau der Wirtschaft und will Kolumbien als regionales Wirtschaftszentrum etablieren. Dazu muss zunächst die Infrastruktur ausgebaut werden. Es gilt, neue Straßen zu bauen und öffentliche Verkehrsmittel zu modernisieren.

Aufnahmedatum: März 2012 Aufnahmeort: in der Nähe von Santa Marta, Kolumbien aufgenommen von: Manuela Kasper-Claridge (DW) 4) Eselskarren in Aracataca (nähe Santa Marta)
Die Infrastruktur muss dringend modernisiert werden. Nur knapp ein Viertel der Straßen sind asphaltiert.Bild: DW

Deutsche Investoren kommen

Im März trafen sich deutsche Investoren, darunter Firmen wie Herrenknecht oder Siemens, zu einer Konferenz in Bogota mit Vertretern kolumbianischer Firmen, um die Möglichkeiten auszuloten. Staatssekretär Rainer Bomba aus dem Bundesverkehrsministerium besuchte die Hafenstadt Cartagena und staunte über den exzellent ausgebauten Containerhafen. Der deutsche Logistikkonzern Kühne und Nagel hat hier auf 10.000 Quadratmetern ein hochmodernes Lagerhaus errichtet, doch schon nach wenigen Monaten wurde es zu klein. Nun wird es auf 20.000 Quadratmeter ausgebaut.

In der Sonne strahlen die Container der Reederei Hamburg Süd. Deutsche und Kolumbianer haben beim Ausbau des Hafens eng zusammengearbeitet. So wurde die Hafenbetreibergesellschaft von Hamburg Port Consulting unterstützt, der Beratungsfirma des Hamburger Hafens. Cartagena, am Pazifik gelegen, ist für Unternehmen ein attraktiver Standort, der andere ist Medellin.

Medellin – der Wirtschaftsstandort

Viele kennen den Namen der Stadt nur wegen des gleichnamigen Drogenkartells, aber das wurde bereits vor fast 20 Jahren zerschlagen. Heute ist Medellin eine moderne, aufstrebende Stadt mit Textil- und Modeindustrie. Die schick gekleideten jungen Menschen unterscheiden sich nicht von den Trendsettern in anderen Großstädten dieser Welt. Medellin ist in Kolumbien der Standort für Kreative.

Thomas Voigt von der Handelskammer erzählt, dass man hier mit fast jeder Idee erfolgreich sein kann. Zwei seiner Bekannten, deutsche Jungunternehmer, starteten in Medellin das erste Döner Kebab Restaurant. Innerhalb kürzester Zeit konnten sie zwei weitere eröffnen, so groß war die Nachfrage.

Touristen entdecken das Land

"In zehn Jahren wird Kolumbien eine der Top-Destinationen dieser Welt sein", zitiert Thomas Voigt eine Untersuchung und zeigt sich überzeugt, dass dies kein Wunschdenken ist. Erst vor wenigen Wochen berichtete die englische Financial Times in einem längeren Artikel über hippe Bars und Cafes in Bogota.

Wer die Touristenscharen sieht, die in Cartagena die Kreuzfahrtschiffe verlassen, um sich Kolumbien genauer anzuschauen, der merkt, dass dies ein Land ist, das sich zum Positiven verändert.