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Konzert mit Kalaschnikow

29. Oktober 2009

Der kolumbianische Musiker César López hat eine zur Gitarre umgebaute Kalaschnikow zu seinem Markenzeichen gemacht.

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César López mit seiner Friedensgitarre Escopetarra (Foto: Thomas Wagner)
César López mit seiner Friedensgitarre EscopetarraBild: DW

"Allá vienen los helicopteros“, "Dort kommen die Hubschrauber", so heißt einer der Songs des kolumbianischen Musiker César López. Geschrieben hat er es als er vor einiger Zeit am Flughafen von Bogotá Helikopter starten sah, mit dem Ziel irgendwo im Dschungel ein Rebellencamp zu bombardieren. López beherrscht mehrere Instrumente, singt, textet, produziert – und streitet darüber hinaus für den Frieden in einem Land, das seit mehr als einem halben Jahrhundert von bewaffneten Konflikten erschüttert wird.

Waffen zu Instrumenten

Der Pazifist López spielt gerade auf seiner stärksten Waffe – einem Maschinengewehr, verwandelt in eine E-Gitarre. Über dem Lauf spannen sich abwärts bis auf Höhe des Abzugs die Saiten. An zwei auf dem Magazin befestigten Knöpfen regelt César Ton und Volumen.

"Escopetarra“ heißt die zur Gitarre umgebaute Waffe, auf der César spielt. Ein Begriff, den der Künstler erfunden hat. Abgeleitet von "Escopeta“, dem spanischen Wort für Gewehr. "Ich hatte schon eine Weile darüber nachgedacht, wie wir als Künstler an dem Friedensprozess teilnehmen können. Und da hatte ich die Idee, dass wir ein Symbol brauchen, ein Symbol, dass Türen öffnet. Das war die Geburtstunde der Escopetarra“, sagt César.

Escopetarra - eine zur E-Gitarre umgebaute Kalaschnikow (Foto: Thomas Wagner)
Die Escopetarra ist eine zur E-Gitarre umgebaute Kalaschnikow AK47Bild: DW

Als der 36-Jährige vor sechs Jahren mit seinem Vorschlag in der Werkstatt des Gitarrenbauers Luis Paredes auftauchte, war der zunächst skeptisch: "Ich dachte, der ist verrückt. Aber dann dachte ich darüber nach und fand, ja das ist eine Herausforderung. Und Herausforderungen sind wichtig für mich“, sagt Paredes mit einem Lächeln. Der Gitarrenbauer probierte verschiedene Gewehre aus, dann entschied er sich schließlich für die Kalaschnikow Ak 47, auch aus symbolischen Gründen: "Die Ak 47 ist die Waffe der kolumbianischen Guerrilla. Jeder hat sie hier. Sie ist billig, sie schießt sehr präzise, sogar unter Wasser, und sie ist einfach gut konstruiert.“

"Auch eine Waffe kann sich ändern"

Alle Escopetarras haben eine blutige Vergangenheit. Linke Guerrilleros kämpften und töteten mit ihnen, bevor sie sich dem Demobilisierungsprogramm der Regierung anschlossen und die Waffen abgaben. Im Verteidigungsministerium wurden die Kalaschnikows dann schussunfähig gemacht - sicher ist sicher. Anderthalb Wochen benötigt Paredes, um eine Escopetarra herzustellen.

Knapp 20 Gitarren haben César López und Luis Paredes im Laufe der Jahre bis heute geschaffen. Die Escopetarras sind zu Césars musikalischem Markenzeichen geworden.

César hat vor Todesschwadronen und Guerrilleros gespielt, vor Häftlingen ebenso wie vor Jugendbanden. Bei den Liveauftritten spürt er die Faszination, die seine Gitarre auf die Zuhörer ausübt. "Bei einem Auftritt in Brasilien sprach mich mal ein junger Mann an sagte mir: 'Ich werde eine Waffe nie wieder auf die gleiche Weise anschauen wie bisher. Heute ist mir klar geworden, dass sich sogar eine Waffe ändern kann‘“, berichtet César.

Eine Escopetarra für Berlin

Dem Kolumbianer geht es vor allem darum, mit seiner Musik Menschen zusammenzubringen. "Ich glaube nicht, dass ich mit einem Konzert einen Konflikt stoppen kann, aber ich kann eine Brücke schlagen zwischen zwei Gruppen, oder zwei Politikern oder auch zwei Ländern, die sonst nicht miteinander kommunizieren.“

Damit seine Botschaft bei vielen Menschen ankommt, hat er einige der rycelten Maschinengewehre an Kollegen wie Manu Chao und Juanes verschenkt. In dieser Woche besucht César zum ersten Mal Berlin. Eine Escopetarra hat er mitgebracht und sie der deutschen Hauptstadt geschenkt, aus Anlass des 20. Jahrestages des Mauerfalles. "Die Mauer von Berlin steht in der ganzen Welt als Symbol dafür, dass eine Gesellschaft ihre Realität verändern kann, dass alles im ständigen Wandel ist, und dass wir nicht nur physische, sondern auch ideologische Mauern abbauen können“, sagt César.

Der Gitarrenbauer Luis Paredes mit einer von ihm gebauten Escopetarra (Foto: Thomas Wagner)
Der Gitarrenbauer Luis Paredes war zunächst skeptisch, begeisterte sich dann aber doch für die Escopetarra.Bild: DW

Kultureller Widerstand gegen den Krieg

Bei einem Besuch in einem Jugendclub im Berliner Problemkiez Neukölln hat César López eine Jam-Session organisiert und mit den Jugendlichen über die Gewalt in Deutschland und in seiner Heimat Kolumbien reden: "Mich beindruckt auch die Möglichkeit, als Kolumbianer nicht nur eine Gitarre zu übergeben, sondern als Vertreter eines Dritte-Welt-Landes Erfahrungen mit einem Land in der Ersten Welt zu teilen.“

López Tatendrang scheint unerschöpflich. Kommendes Jahr will der Künstler mit seiner Band sogar durch mehrere Konfliktgebiete im Nahen Osten und Mittelamerika touren. Die Aussicht, irgendwann als Politrocker abgestempelt zu werden, schreckt ihn nicht – im Gegenteil. "Ich glaube, dass meine Arbeit, mein kultureller Widerstand niemals aufhören wird. Ist der Krieg irgendwann einmal zu Ende, wird es neue Dinge geben, für die ich weiter kämpfen werde.“

Autor: Thomas Wagner
Redaktion: Mirjam Gehrke