Klimaschutz-Index 2023: Energiekrise als Stresstest
14. November 2022Während es bei der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich vor allem über den Klimaschutz der Zukunft geht, wirft der aktuelle Klimaschutz-Index (Climate Change Performance Index, CCPI) einen Blick auf den Ist-Zustand.
Die Erhebung wird von den Nichtregierungsorganisationen (NGO) Germanwatch und dem New Climate Institute gemeinsam mit dem NGO-ZusammenschlussClimate Action Network (CAN) herausgegeben. Sie vergleicht die Klimaschutzmaßnahmen von 60 Ländern und der Europäischen Union (EU). Zusammen sind diese Staaten für mehr als 90 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.
"Erneuerbare Energien sind wirtschaftlich unschlagbar"
Die aktuelle Energiepreiskrise als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zeige deutlich, wie abhängig die Welt noch immer von fossilen Energieträgern sei, schreiben die Autorinnen und Autoren des Klimaschutz-Index'.
Einer von ihnen ist Niklas Höhne, Gründer des New Climate Institute. Derzeit sehe man, "dass ambitionierter Klimaschutz auch wirtschaftlich der einzig sinnvolle Weg ist", so Höhne. Erneuerbare Energien seien wirtschaftlicher als jedes neu gebaute konventionelle Kraftwerk. Und Investitionen in Energieeffizienz hätten sich noch nie so ausgezahlt wie heute.
Wie schon in den vergangenen Jahren bleiben die ersten drei Plätze des Rankings leer - kein einziger Staat unternimmt genug, um die Vereinbarungen das Pariser Klimaschutzziels einzuhalten, und die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Dänemark ist spitze beim Klimaschutz
Spitzenreiter beim Klimaschutz ist erneut Dänemark. Der kleine Staat liegt in fast allen Einzelkategorien vorne und weist als einziges Land eine "gute" nationale und eine sogar "sehr gute" internationale Klimapolitik auf. So hat Dänemark zugesagt, für Schäden und Verluste, die in ärmeren Staaten wegen des Klimawandels entstehen, Geld bereitzustellen. Nur im Bereich Energieeffizienz hat Dänemark laut dem Index Nachholbedarf und droht darum, seine nationalen Klimaziele für 2025 zu verfehlen.
Staaten wie Chile, Marokko und Indien (Plätze 6 bis 8) zeigen auch dieses Jahr gute Ergebnisse im Klimaschutz-Index und nähern sich den Spitzenreitern Dänemark und Schweden an.
Kleine Pluspunkte für Klimapolitik in den USA und Australien
Erfreuliches in Sachen Klimapolitik gebe es dieses Mal aus den USA und Australien zu berichten, sagt Thea Uhlich von Germanwatch, Mitautorin des CCPI, im Gespräch mit der DW. "Durch das große Investitionspaket von US-Präsident Joe Biden sind die USA ein paar Plätze nach oben geklettert. Klimapolitische Ziele wurden nun mit Umsetzungsmaßnahmen hinterlegt - das ist ein gutes Zeichen."
Allerdings stoßen die USA nach China weltweit die meisten Treibhausgase aus: 2019 waren sie für elf Prozent aller Emissionen verantwortlich, China kam auf 27 Prozent. Beide Länder gehören mit zu den am schlechtesten bewerteten Ländern beim Klimaindex.
Australien habe sich durch den Wechsel der Regierung zwar bisher nur bei der Klimapolitik verbessert, so Uhlich, aber: "Wir hoffen, dass diese auch zu einem Ausbau der Erneuerbaren und einem Ausstieg aus der Kohle führen wird."
Steigende Kohle-Emissionen rücken Chinas Klimaziele in weite Ferne
Mit einem Abrutschen um gleich 13 Plätze auf Rang 51 ist China der größte Absteiger des neuen Index'. Das Land investiert zwar in sehr großem Maße in erneuerbare Energien, schneidet aber wegen seiner weiter steigenden Emissionen sehr schlecht ab.
"China schafft es bisher nicht, die Emissionen zu drosseln und den Trend nachhaltig umzukehren. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ist das Land zwar gut, aber das reicht nicht", bilanziert Niklas Höhne.
"Derzeit werden viele neue Kohlkraftwerke in China gebaut. Und das bedeutet, dass diese Kraftwerke einige Jahre bis Jahrzehnte laufen müssen, damit sich diese Investitionen überhaupt rentieren", ergänzt Thea Uhlich. Damit aber rücke das Erreichen der Schutzziele in immer weitere Ferne.
Doch das könnte fatal sein, denn je schneller sich die Erde erwärmt, desto schneller könnten auch die möglichen Kipppunkte erreicht werden, also Ereignisse, wie etwa das rasante Abschmelzen der Eisschilde auf den Polarmeeren, die dann eine kaum noch steuerbare, oft unumkehrbare Eigendynamik einnehmen und enorme Auswirkungen auf den gesamten Planeten haben könnten.
Verkehr, LNG-Importe und zu wenig Windkraft in Deutschland
Die "Fixierung von Bundeskanzler Olaf Scholz auf den überdimensionierten Ausbau von Flüssiggas-Importen (LNG) und das Hochfahren von Kohlekraftwerken" habe die bessere Bewertung der deutschen Klimaschutzpolitik unter der neuen Bundesregierung wieder gedrosselt, erklärt Index-Mitautor Jan Burck von Germanwatch. Positiv bewertet wurden allerdings die zwischen 2017 und 2021 rückläufigen deutschen Pro-Kopf-Emissionen.
Insgesamt hat sich Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um drei Plätze verschlechtert und liegt nur noch knapp im Bereich "gut". Zum einen räche sich nun die schwache Klimapolitik der vergangenen Jahre, denn unter der vorherigen Regierung war insbesondere der Ausbau der Windenergie massiv eingebrochen, so Burck. Zum anderen machten sich die massive Verfehlung der Klimaziele bemerkbar, insbesondere im Verkehrs- und Gebäudesektor.
Klimaschutz in der EU: von "gut" bis "sehr schlecht"
Die Europäische Union als Ganzes klettert drei Plätze nach oben und verfehlt mit Rang 19 nur knapp die Kategorie "gut". Hauptgrund für den Aufstieg ist eine bessere Klimapolitik im Rahmen des Fit-for-55-Pakets der EU, dessen Ziel es ist, die Emissionen der EU bis zum Jahr 2020 um mindestens 55 Prozent zu senken.
Insgesamt ist das Bild bei den EU-Staaten jedoch sehr uneinheitlich. Neun Länder werden mit "gut" bewertet, sieben mit "schlecht", Polen und Ungarn sogar mit "sehr schlecht".
Bemerkenswert auch: Während Spanien durch Verbesserungen in allen Kategorien um elf Plätze auf Rang 23 kletterte, fiel Frankreich um elf Ränge auf Platz 28 zurück - Grund: eine schwache Klimapolitik und kaum Ausbau von Erneuerbaren Energien.
"Langfristig wird die EU im Klimaschutz-Index nur aufsteigen, wenn sie alle Mitgliedsstaaten mit einem CO2-Preis für Verkehr und Wärme dabei unterstützt, ihre Emissionen weiter zu senken. Dafür brauchen wir als Ausgleich für die sozial Schwächeren zudem einen starken sozialen Klimafonds", fordert Thea Uhlich
Wie für China gelte auch für die EU und Deutschland: "Wir können es uns nicht leisten, neue fossile Infrastrukturen zu fördern, weder bei uns noch beispielsweise im Senegal, wo Deutschland gerade aktiv nach einer Kooperation sucht," so Uhlich. "Der Fokus muss auf den Erneuerbaren Energien liegen, sonst laufen wir in Zukunft in nur noch größere Krisen hinein."