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Klimafreundlich ackern

18. Januar 2010

Landwirtschaft soll nicht länger nur Verursacher des Klimawandels sein, sondern Teil einer Lösung werden. So das Ziel einer internationalen Klimaschutz-Initiative.

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Bauer in Simbabwe zeigt einen trockenen Maiskolben (Foto: dpa)
Teil der Klimalösung: Bauern brauchen BildungBild: picture-alliance/dpa

Auf einem internationalen Agrarministergipfel in Berlin wurde am Wochenende eine weltweite Klimaschutz-Initiative ins Leben gerufen. Die Landwirtschaft soll nicht länger nur als Verursacher, sondern als Teil einer Lösung des Klimaproblems begriffen werden. Experten sind der Ansicht, dass es vor allem in den Entwicklungsländern viel Potenzial gibt, um durch Ackerbau Kohlenstoff in den Böden zu speichern. Dies wäre gleichzeitig eine Möglichkeit, mehr Nahrungsmittel für eine absehbar wachsende Bevölkerung zu produzieren. Doch dafür muss die Landwirtschaft unbedingt modernisiert werden. Auch in Afrika.

Afrika schon jetzt vom Klimawandel getroffen

Zuckerrohr
In Swaziland macht der Klimawandel den Zuckerbauern zu schaffen.Bild: Geraldo Hoffmann

Beispiel Swaziland: Clement Dlamini ist Agrarminister des kleine afrikanischen Landes. Wenn er auf der Grünen Woche über sein Land spricht, dann geht es vor allem um Zucker. 70 Prozent der Menschen in Swaziland sind Farmer, viele leben in großer Armut. Der Anbau von Zuckerrohr gibt ihnen Arbeit. Die Zuckerindustrie ist die am besten entwickelte im Land, sie erwirtschaftet ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes. Mit 150.000 Tonnen ist die EU der Hauptabnehmer des Zuckers. Allerdings wächst die weltweite Konkurrenz und noch ein Problem macht Minister Dlamini zu schaffen. Denn seit der Ernte 1991/92 hat Swaziland immer wieder unter extremer Hitze, Dürren und Ernteausfällen gelitten. Fremde Pflanzenarten haben sich angesiedelt. Dagegen versuchen die Bauern durch eine bessere Bewässerung und mit der Zucht von dürreresistenten Pflanzen anzugehen, erklärt Dlamini.

Swaziland steht stellvertretend für viele Länder in Afrika. Ihre Rolle im globalen Agrarhandel besteht fast ausschließlich im Export von Agrarrohstoffen. Neben Zucker sind das vor allem Kaffee, Kakao und Baumwolle. Doch die Monokulturen laugen die Böden aus und senken die Fruchtbarkeit. So leidet die afrikanische Landwirtschaft unter chronischer Leistungsschwäche. Niedrige Produktivität, der Mangel an Investitionen, Unterversorgung führen dazu, dass sich Afrikas Bauern kaum selbst ernähren können.

Frauen, die auf einem Acker in Afrika arbeiten (Foto: dpa)
Neue Agrarentwicklungspolitik muss Bauern bilden.Bild: dpa

Das müsste nicht sein, sagt Gerd Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Afrika als Kontinent habe durchaus das Potenzial, sich selbst zu ernähren und das Thema Hunger zu bewältigen. „Der Schlüssel dafür ist die Bildung. Nicht nur der Eliten, sondern der breiten Bevölkerung, insbesondere der ländlichen Bevölkerung." Und dabei müsse die neue Agrarentwicklungspolitik helfen. Sie müsse die Menschen darin ausbilden, wie sie mit dem Boden, Wasser, Pflanzen umgehen, wie sie moderne Technik einsetzen können. "Dann können wir auch für die afrikanischen Staaten eine grüne Revolution auslösen.“

Landwirtschaft der Zukunft

Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung um rund drei Milliarden Menschen anwachsen und sie werden alle in den Entwicklungsländern leben. Also auch in Afrika. Eine ertragreiche, wettbewerbsfähige und sich an den Klimawandel anpassende Landwirtschaft ist daher nicht weniger als eine Überlebensfrage. Doch wie genau kann die Landwirtschaft der Zukunft aussehen? Wird es eine kleinbäuerliche Produktion sein, eine hoch technisierte, oder irgendetwas dazwischen?

Dorf in Burkina Faso
Afrikanische Bauern müssen sich als Agrarunternehmer fühlen.Bild: DW/Harjes

Hans Herren, Landwirtschafts- und Entwicklungsexperte und Mitverfasser des Weltagrarberichts, weiß jedenfalls, was nicht mehr sein darf. Wenn man kurzfristig mehr produzieren wolle, würden Düngemitteln, Pestizide oder neue Samen helfen. Nur "das Problem ist: Nach ein paar Jahren fällt das System zusammen. Die Dünger werden teurer, die Märkte sind mit einzelnen Produkten überfüllt, die Preise fallen, alles geht wieder zurück auf Stufe eins." Besser sei es nachhaltig zu produzieren. Und dafür müssen die Bauern informiert und ausgebildet werden, damit sie auch anders denken. Ihr eigenes Wissen müsse mit Innovationen verbunden werden.

Doch das ist gar nicht so einfach. Denn die großen Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln, die in Afrika einen riesigen Markt sehen, lassen sich nicht so einfach aus dem Feld drängen. „Die Politik kooperiert mit dem Privatsektor, das ist überall so. Firmen wie Monsanto, Syngenta, Bayer und BASF sind sehr mächtig und diktieren die Politik, auch die Entwicklungspolitik, wie ich selbst erlebt habe," sagt Herren. Und diesem Diktat dürfe sich die Politik nicht länger beugen.

Einzelne Maßnahmen

An erster Stelle steht für Herren eine Steigerung der Bodenfruchtbarkeit. Dies lasse sich sehr einfach über bestimmte Fruchtfolgen und organischen Dünger erreichen. Der pflanzliche und tierische Humus könne vor Ort auf den Höfen produziert werden. Gute Böden sind widerstandfähiger gegen Trockenheit, können aber auch mehr Wasser aufnehmen, was im Fall von Überschwemmungen wichtig ist. Mit guten Böden, so sagt Herren, könne man die Erträge schnell um das drei- bis vierfache steigern. Dies alles müsse den afrikanischen Bauern vermittelt werden.

Der Landwirtschaftsminister von Burkina Faso, Laurent Sedogo, geht noch einen Schritt weiter. Er will den Denkansatz der Bauern verändern. „Wir müssen aus dem afrikanischen Bauern zunächst einen Agrarunternehmer machen, er muss eine andere Mentalität bekommen. Er muss sich als Teil eines Kreislaufs fühlen. Er braucht qualifizierte Arbeitnehmer, Menschen, die seine Produkte transportieren", sagt Sedogo. Es reiche nicht, dem Bauern zu sagen "hier ist der Boden, hier sind die Maschinen und dann haben wir einen Menschen der alles aufbauen soll. Das wird nicht funktionieren.“

Sedogo sieht aber auch ein Problem bei der Finanzierung. Zwar haben afrikanische Staats- und Regierungschefs im Rahmen von NEPAD, der 2001 gegründeten „Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung“ vereinbart, jährlich zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Landwirtschaft zu stecken, doch die Umsetzung lässt auf sich warten. Stattdessen wird einmal mehr der Ruf nach mehr Engagement der Industrieländer laut. Dabei berufen sich die afrikanischen Politiker auch auf die Annahme, dass eine Steigerung des Ackerbaus in Afrika erheblich dazu beitragen könnte, Kohlenstoff in den Böden zu binden und so dem Klimawandel zu begegnen. Und die Bekämpfung der Erderwärmung sei selbstverständlich von den Verursachern der Treibhausgase, also den Industrieländern zu bezahlen. Die kämen an ihrer finanziellen Verpflichtung eigentlich nicht vorbei.

Autor: Sabine Kinkartz

Redaktion: Insa Wrede