Computer der Zukunft
12. Januar 2012Der Computer der Zukunft wird überall und doch nirgendwo sein. Ein vermeintlicher Widerspruch, den Professor Stefan Jähnichen aufklären kann: "Die Computer werden immer kleiner, wodurch sie Schritt für Schritt aus unserem Gesichtsfeld verschwinden".
Damit erklärt der Softwaretechnik-Professor von der Technischen Universität Berlin, was er und seine Kollegen "eingebettete Systeme" nennen. Kleine Hochleistungscomputer verstecken sich in Zukunft zunehmend in ganz alltäglichen Dingen, steuern und regulieren unser Leben aus dem Verborgenen. "Wer weiß denn, dass in einem neuen Auto schon heute mehr als 80 Rechner drin sind, die sieht man ja alle überhaupt nicht", sagt Jähnichen.
Eingebettete Leistungspakte
Dieser Trend, dass Rechner zum treuen, beinahe unsichtbaren Begleiter des Menschen werden, wird sich beschleunigen. Dadurch erscheint vieles möglich. Kein Hausbesitzer wird in Zukunft in den Urlaub fahren, ohne zuhause sein 'intelligentes Haus' kontrollieren zu können. Kein Firmenmitarbeiter wird mehr auf Geschäftsreise gehen, ohne einen digitalen Gesichtserkennungs-Assistenten nach seinen Gesprächspartnern zu befragen.
Und kein Chirurg wird einen Eingriff wagen, ohne die Operation vorher mit seinem digitalen Assistenten vorbereitet zu haben. "Vielleicht steht am Ende sogar", sagt Computer-Visionär Jähnichen, "dass Menschen sich einen kleinen Chip ins Gehirn transplantieren lassen." Über virtuelle Universal-Speicher im Internet könnte der Mensch dann in der Datenwolke (Cloud Computing) weltweit auf die von ihm gewünschten Daten zugreifen.
Selbst die heutige Generation von Smartphones und Tablet-Computern gehört angesichts solcher Aussichten da 2030 wohl schon ins Museum der Informationstechnik. "Das ist natürlich darauf zurückzuführen, dass die Speicherelemente immer kleiner und immer leistungsfähiger werden und auch die Prozessoren werden immer leistungsfähiger und immer kleiner", sagt Jähnichen.
Längst lösen Mehrkern-Prozessoren, auch Multi-/Many-Core-Prozessoren genannt, die klassischen Computer ab. Statt einem oder einer Hand voll Hauptprozessoren wie heute auf einem Computer-Chip werden in Zukunft tausende, voneinander unabhängige Hauptprozessoren auf einem solchen Chip Platz finden. So lässt sich auch zukünftig die Leistungsfähigkeit von Rechnern beständig weiter steigern.
Bedienung über Intuition und Gesten
Die Kommunikation zwischen Mensch und Computer wird bis 2030 neue Wege gehen. Informationen und Befehle sollen dann nicht mehr über Tastaturen oder Computer-Mäuse, sondern über "neue Schnittstellen" ausgetauscht werden, sagt Professor Stefan Jähnichen. Schnittstellen, die sehr viel interaktiver sind als heute. Auf seinem Wunschzettel ganz oben: der Allzweck-Stift, durch den das Bedienen von Computern für den Menschen intuitiver und spielender werden kann. Das Konzept: Ein kleiner Stift in der Hand soll genügen, um damit eine Heizung auf- oder zuzudrehen oder eine Waschmaschine an- oder abzuschalten. Eine Kamera dient als Sensor, der die Bewegungsinformation des Menschen an den Rechner als Befehl übermittelt.
Mit dem Voranschreiten von Kameratechnik und Bildverarbeitungs-Software könnte dann der Stift als Signalinstrument sogar überflüssig werden. Allein mit den Fingern und durch Zurufe soll ein Mensch seine verborgenen Rechner dirigieren können, beschreibt der Professor seine Vision. "Auf jedem der fünf Finger liegt eine bestimmte Bedeutung für mein Radio oder für meinen Fernseher". Jede eindeutige Geste löst dann eine Aktion aus, beispielsweise das Umschalten des Programms oder die Regulierung der Lautstärke. Bei Fehlern könnte die intelligente Spracherkennungs-Software nachsteuern.
Wenn Dinge sprechen lernen
Doch auch untereinander haben Computer 2030 das Sprechen gelernt. "Es geht nicht mehr nur darum, wie kriege ich über Gesten die Information in den Computer hinein, sondern wie präsentiert der seine Rechenergebnisse in meiner Umgebung", erklärt Professor Stefan Jähnichen. Statt auf Bildschirmen Resultate abzulesen, werden Nutzer in Zukunft die Reaktion eines Computers direkt spüren.
Beispielsweise, indem in einem 'intelligenten Haus' die Beleuchtung, die Heizung oder die Lüftungsanlage sich dem Verhalten der Bewohner anpassen. Dank Sensoren wird nur noch da geheizt, wo sich etwas bewegt. Statt dem Menschen werden sich deshalb zunehmend digitale Steuerungsgeräte im Internet tummeln. "Die Geräte werden sich besser miteinander abstimmen und können so noch komplexere Aufgaben autonom lösen."
Physische und virtuelle Welt verschmelzen. Was Informatiker frohlocken lässt, könnte für manchen Datenschützer zum Albtraum werden. Denn wenn alle Lebensbereiche des Menschen 'intelligent' sind, dann ist es nicht mehr weit bis zum digitalen Abbild, also zum gläsernen Nutzer. Auch für Computer-Visionär Stefan Jähnichen ein Grund zur Nachdenklichkeit: "Ich kann mir an vielen Stellen eine digitale Unterstützung vorstellen. Meine Privatsphäre möchte ich aber schon lieber privat haben."
Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Fabian Schmidt