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Klage auf Entschädigung für verlorene Güter in den ehemaligen polnischen Ostegebieten wird vor dem Europäischen Gerichthof in Straßburg verhandelt

24. Oktober 2002
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Warschau, 24.10.2002, ZYCIE, poln., Magdalena Rubaj

Jerzy Broniowski kämpft seit acht Jahren vor Gericht gegen den polnischen Staat und verlangt eine Entschädigung in Höhe von drei Millionen Zloty (etwa 750 000 Euro) für seine verlorenen Güter im ehemaligen Osten Polens.

Es handelt sich dabei um ein Gründstück und ein Haus, das seine Großmutter in Lwow (Lwiw) im Jahre 1944 verlassen musste. Das gesamte Vermögen in Lwow wurde damals auf 1 949 560 Zloty geschätzt. Jerzy Broniowski behauptet jedoch, dass seine Familie lediglich vier Prozent dieser Summe bekommen habe. (...) Ihm wurde auch keine Immobilie im Rahmen der Entschädigung angeboten.

Nachdem Jerzy Broniowski alle rechtlichen Mittel in Polen ohne ein positives Urteil ausgeschöpft hatte, wandte er sich schließlich an den Europäischen Gerichtshof in Straßburg.

Das ist eine sehr wichtige Gerichtsverhandlung: 17 Richter wurden gestern mit der Bearbeitung dieses Falles betraut. Nach Ansicht des Rechtsanwalts Zbigniew Cichon, der den Kläger vertritt, bedeutet die Tatsache, dass 17 und nicht wie gewöhnlich sieben Richter diesen Rechtsstreit verhandeln, dass der Gerichthof dieser Angelegenheit große Bedeutung beimisst: "Das ist ein Beweis dafür, welche Aufmerksamkeit dieser Klage geschenkt wird. Sie betrifft aber einen Themenbereich, der für den Gerichtshof, der diese Angelegenheit noch vor dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten zur EU verhandelt, ein absolutes Novum ist", sagte Rechtsanwalt Zbigniew Cichon gegenüber der Polnischen Presseagentur PAP.

Das Interesse an dem Urteil aus Straßburg ist enorm. Nach offiziellen Schätzungen des Schatzministeriums warten 60 000 bis 90 000 Personen auf eine Entschädigung für Güter, die sie im ehemaligen Osten Polens aufgeben mussten.

Wenn der Gerichtshof in Straßburg ein positives Urteil fällt, würde das bedeuten, dass auch die anderen ehemaligen Bewohner der ehemaligen polnischen Ostgebiete ein Anrecht auf Entschädigungszahlungen haben. Für den polnischen Staat würde dies jedoch bedeuten, dass mindestens zehn Milliarden Zloty (etwa 2,5 Milliarden Euro) im Rahmen der Entschädigung gezahlt werden müssten. Diese Summe kann sogar viel höher sein, da nicht alle Polen, die Vermögen in den ehemaligen polnischen Ostgebieten besaßen, ihre Ansprüche geltend gemacht hatten, da sie an eine positive Entscheidung nicht glaubten. (...)

Die negativen Urteile polnischer Gerichte beruhten bisher nur auf einem einzigen Argument: Polen habe die Abkommen über Entschädigungen mit den ehemaligen Sowjetrepubliken nicht ratifiziert. Polen verpflichtete sich jedoch damals, Entschädigungen an die zwangsumgesiedelten Bewohner der ehemaligen Ostegebiete selbst zu zahlen.

In den Jahren 1944-1953 lebten in Polen 1,7 Millionen Menschen, die aus dem Osten Polens vertrieben wurden. (Sta)