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Klüngel in Kroatien

10. Januar 2010

Bei der zweiten Runde der kroatischen Präsidentschaftswahl ist vor allem ein Thema wichtig: Korruptionsbekämpfung. Auch die EU fordert Zagreb immer wieder auf zu handeln. Allmählich scheint sich etwas zu ändern.

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Wahlplakate der Präsidenschaftswahlen Kroatien (Foto: DW)
Korruption ist Thema Nummer eins im WahlkampfBild: DW

Kroatien ist ein Land der Autofahrer. Mit rund 280 Kilometern pro einer Million Einwohner gibt es hier ein doppelt so dichtes Autobahnnetz wie im Durchschnitt der Europäischen Union. Den Ausbau ihrer Straßen ließen sich die Kroaten allein in den letzten 15 Jahren drei Milliarden Euro kosten. Überteuert, meint der Zagreber Journalist Zorislav Antun Petrović. Der langjährige Korruptionsexperte führt die kroatische Sektion von "Transparency International". Die Nichtregierungsorganisation kämpft weltweit gegen Korruption.

"Durchschnittlich kostete ein Autobahnkilometer im Jahr 2003 vier Millionen Euro. Heute kostet er schon 17 Millionen Euro", rechnet Petrović vor. Zum Beispiel die Autobahn Zagreb-Sisak: Sie ist 40 Kilometer lang und verläuft durch das Flachland. Trotzdem koste sie insgesamt genauso viel wie ein Viertel der 350 Kilometer langen Dalmatien-Autobahn von Zagreb nach Split. Grund: die vielen Brücken und Tunnels, so Petrović.

Europäische Korruptionsbehörde prüft Straßenbau

Zorislav Antun Petrovic, Chef der Transparency International in Kroatien (Foto: Zorislav Antun Petrovic)
Schaut genau hin: Zorislav Antun PetrovicBild: Zorislav Antun Petrovic

Dass die kürzere und einfachere Strecke vergleichsweise viel teurer ist, lässt Missbrauch vermuten. Hat die staatliche Betreibergesellschaft "Kroatische Autobahnen HAC" absichtlich zu viel ausgegeben, damit die Beteiligten sich am Milliardengeschäft bereichern können? Beweise dafür gibt es noch keine. Beweise sammelt aber, neben der hiesigen Justiz, seit Monaten schon OLAF, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung. In Kroatien prüft es mehrere mögliche Korruptionsfälle, unter anderem im Straßenbau.

Aus EU-Fonds wurde nämlich mit dreistelligen Millionenbeträgen auch ein Teil der kroatischen Autobahnen finanziert, so etwa die 300 Millionen Euro teure Strecke von der Hauptstadt Zagreb bis in die Hafenstadt Rijeka. Nun wird geprüft, ob auch hier die Preise überhöht waren und Gelder unrechtmäßig verteilt wurden. Nutznießer soll etwa das Bauunternehmen "Skladgradnja" gewesen sein, erklärt in Rijeka der Journalist der angesehenen überregionalen Zeitung "Novi list", Darko Pajić.

Auftragsvergabe ohne Ausschreibung

"Diese Firma dürfte mit der Autobahn Zagreb-Rijeka lukrative Geschäfte machen, hat sie doch den Löwenanteil an der Gesamtinvestition eingestrichen, ohne dabei jemals an Ausschreibungen teilgenommen zu haben", erklärt Pajić. Der Clou: Sie sei stets als Subunternehmer aufgetreten. "Diese Firma durfte zum Beispiel einen Autobahn-Tunnel bauen, ohne vorher jemals einen Tunnel erbaut zu haben", so der Journalist.

Möglich könnte dies nicht zuletzt dadurch geworden sein, weil "Skladgradnja" den beiden Cousins des ehemaligen Außenministers Miomir Žužul gehört. Die Gebrüder Neven und Jozo Žužul sitzen seit einem Monat in Untersuchungshaft. Ein Zeichen dafür, dass der Rechtsstaat erfolgreich gegen die Vetternwirtschaft vorgeht? Darko Pajić, der die Fälle gründlich recherchierte, hat seine Zweifel. Er meint, in solchen Fällen werde sehr aufmerksam vorgegangen.

Entlassene Kabinettsmitglieder

"Von Anfang an, schon bei der Ausschreibung, wurden die Voraussetzungen und Bedingungen so festgelegt, dass die Firma den Auftrag erhielt, der man dieses Geschäft ermöglichen wollte. Trotzdem bin ich mir sicher, es gäbe für die Korruptionsbehörde noch genug aufzuklären", meint Pajić.

Vor allem müsse die kroatische Justiz den vielen Hinweisen aus den Medien in den letzten Monaten nachgehen. Denn, ob Großaufträge oder Neuanstellungen - anscheinend gab es kaum einen Wirtschaftszweig oder gesellschaftlichen Bereich in Kroatien, in dem in den letzten Jahren kein Schmiergeld floss und betrogen wurde. Örtliche Seilschaften, Parteizugehörigkeit und Familienbanden bildeten das korrupte Netz aus Politik und Wirtschaft, betont Petrović, der Chef von "Trancparency International" in Kroatien.

Ex-Premier unter Verdacht

Autobahnmautstation in Kroatien (Foto: Ognjen Alujevic)
Neue Autobahnmautstation in KroatienBild: Ognjen Alujevic

Petrović ist aber dennoch nicht hundertprozentig zuversichtlich. Sollte Brüssel den Druck aufrechterhalten, meint der Korruptionsexperte, könnte sich in Kroatien das korrupte System innerhalb von zehn Jahren auflösen. Die national-konservative Regierung, die fast ununterbrochen seit knapp zwei Jahrzehnten an der Macht ist, scheint jetzt entsprechende Forderungen aus der EU und der eigenen Bevölkerung ernst zu nehmen. Innerhalb des letzten Jahres mussten der Wirtschafts-, der Innen- und der Verteidigungsminister gehen – wegen Amtsmissbrauchsvorwürfen.

Juristische Folgen hatte das aber bisher für keinen von ihnen, obwohl in einem Fall Anklage erhoben wurde. Eine Ermittlung in Österreich könnte dagegen den Ex-Premier Ivo Sanader schwer belasten. Sanader trat vor einem halben Jahr ohne Begründung zurück. Nun prüft man in Wien und Klagenfurt die Vorwürfe, denen zufolge der langjährige kroatische Ministerpräsident illegale Provisionen bei Bankübernahmen und Kreditvergaben kassiert haben soll. Seine Nachfolgerin, Jadranka Kosor, bekommt von der Öffentlichkeit Lob für ihr härteres Durchgreifen gegen die Korruption. Allerdings, so warnt der kroatische "Transparency"-Chef Zorislav Antun Petrović, sei diese nicht bloß ein Problem der oberen Regierungsebene im Staat, sondern beginne schon bei den lokalen Behörden.

So habe in der Adria-Stadt Šibenik ein Mann eine Baugenehmigung beantragt, um seine Geschäftsräume zu vergrößern und bekam mehr als drei Jahre lang gar keine Antwort. Petrović ist sich sicher, dass es hier nur auf die Frage ankam: "Und was machen wir jetzt?" Diese stellen die Beamten auf dem Balkan bekanntlich, um anzudeuten, dass ein bisschen Geld die Sache im Sinne des Antragstellers voranbringen könnte. Der besagte Unternehmer wollte übrigens ein Autohaus eröffnen.

Autor: Filip Slavković
Redaktion: Nicole Scherschun