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Kisten schieben

20. Juni 2010

Bei großen, schweren Maschinen denkt man fast automatisch daran, dass diese gar nicht umweltfreundlich sein können. Doch das stimmt nicht. Man braucht vor allem schlaue Ingenieure und riesige Batterien.

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Ein Lift-AGV. (Foto:Demag Cranes)
Auch große Nutzfahrzeuge können umweltfreundlicher unterwegs seinBild: Demag Cranes

Viele der umweltfreundlichen Autos, die vorgestellt werden, wie zum Beispiel Elektroautos, sind Kleinwagen. Dass auch schwere Fahrzeuge umweltbewusst ihre Arbeit verrichten können, erscheint uns fremd. Aber tatsächlich gibt es einen grünen Trend auch bei den großen Industriemaschinen. Ein Beispiel für ein großes Fahrzeug, das schwere Lasten transportieren muss und trotzdem umweltfreundlich arbeitet, ist das Batterie-AGV. Kaum einer wird in diesem Zusammenhang die Buchstabenkombination "AGV", geschweige denn "Batterie-AGV" gehört haben. Dies ist nicht verwunderlich, da wohl kein Normalverbraucher jemals ein AGV kaufen wird.

AGV? - Nie gehört!

AGV steht für Automated Guided Vehicle. Dabei handelt es sich um ein Fahrzeug, das in Häfen Container transportiert. Es sieht aus wie ein LKW ohne Führerhaus und fährt computergesteuert - ganz ohne Fahrer. Es ist recht flach und kann zwei Container gleichzeitig transportieren. Ein AGV wiegt knapp 30 Tonnen, jeder Container kann ebenfalls bis zu 30 Tonnen wiegen. Insgesamt kann ein AGV also ein Gewicht von rund 90 Tonnen erreichen. Es kostet im der Regel zwischen 350.000 und 500.000 Euro. Das AGV wird allerdings nicht einzeln verkauft, sondern immer als Teil eines ganzen Systems, in das mehrere Fahrzeuge, eine Steuereinheit, ein Navigationssystem und weitere Komponenten integriert sind.

Die Firma Demag Cranes AG aus Düsseldorf beziehungsweise ihr Tochterunternehmen Gottwald stellt diese Hafenfahrzeuge seit Anfang der 90er Jahre her. Ein erstes großes System mit rund 250 AGV´s wurde 1993 in Rotterdam eingerichtet. Die ersten Gefährte wurden diesel-hydraulisch angetrieben. Vereinfacht gesagt heißt das, sie waren laut und verbrauchten recht viel Treibstoff. Die moderneren AGV´s werden diesel-elektrisch angetrieben. Das heißt, sie sind leiser und sparsamer. Aber auch sie verbrauchen rund acht bis zehn Liter Diesel pro Stunde und dröhnen in etwa wie ein LKW. Das Ende der Entwicklung ist also noch nicht erreicht.

AGV + Batterie = Batterie-AGV

Elektro-AGV im Hafen. (Foto:Demag Cranes Cranes)
Im Hafen wird's ruhiger - dank EelektroantriebenBild: Demag Cranes

Vor einigen Jahren haben die Ingenieure bei Demag Cranes und Gottwald überlegt, ob so ein großes Fahrzeug nicht eigentlich auch mit einer Batterie fahren kann. Dabei haben sie sich auch Gedanken gemacht, wie man ein batteriebetriebenes Fahrzeug im Hafen sinnvoll einsetzen kann. Schließlich muss so ein Transportfahrzeug die meiste Zeit im Einsatz sein, damit es sich rechnet. Wenn es den halben Tag an einer Ladestation steht, rentiert es sich nicht. Also kam die Idee einer Wechselstation auf. Das Fahrzeug fährt dort hinein. Von der Seite zieht ein Robotter die Batterie raus, steckt sie in eine Ladestation und schiebt eine voll aufgeladene Batterie in das AGV. Nach diesem Muster wurde ein Prototyp gebaut, der gerade im Containerterminal Altenwerder in Hamburg getestet wird. Natürlich hat die Batterie eine gewisse Größe, denn schließlich muss sie ein 90-Tonnen-Gefährt bewegen. So wiegt denn die Batterie alleine schon rund acht Tonnen. Erstmals wurde sie im letzten Winter getestet. Trotz kalter Temperaturen konnte sie das AGV mehr als acht Stunden in Bewegung halten. Danach musste es für eine Viertelstunde in die Wechselstation. So lange dauert in etwa der Batterieaustausch.

Vor- und Nachteile der neuen Technik

E-AGV. (Foto: Demag Cranes)
Wiegt 30 Tonnen und kann 60 Tonnen transportieren: Ein E-AGVBild: Demag Cranes

Einer der Hauptvorteile des Batterie-AGV´s ist, dass es keine Abgase dort abgibt, wo es fährt. Natürlich muss wie bei jedem Elektroauto der Strom zum Aufladen der Batterie irgendwo herkommen - aus einem Kraftwerk. Das hat allerdings zum einen den Vorteil, dass die Abgase dann nicht dort abgegeben werden, wo das AGV fährt. Zum anderen können Kraftwerke viel effizienter Energie erzeugen als ein herkömmlicher Motor eines Fahrzeugs. Die Ingenieure sagen, dass rund 30 Prozent des CO2-Austoßes bei dem Batterie-Fahrzeug eingespart werden. Ein weiterer Vorteil des Batterie-AGV´s ist der geringe Lärmpegel. Während ein herkömmliches AGV in etwa wie ein LKW klingt, hört sich ein batteriebetriebenes AGV laut Aussagen der Ingenieure an wie eine anfahrende Straßenbahn. Es hilft also, die Geräuschkulisse am Hafen zu verringern.

Natürlich gibt es auch den ein oder anderen Nachteil. Zum einen ist ein Batterie-AGV rund drei Tonnen schwerer als ein herkömmliches AGV, was zu mehr Belastung für Reifen und andere Verschleißteile führt. Zum anderen kann das Batterie-AGV derzeit noch nicht viel länger als acht Stunden ununterbrochen fahren, bevor es wieder in die Batteriewechselstation muss. Die diesel-elektrischen AGVs verfügen zum Beispiel über einen 1800-Liter-Tank, mit dem sie rund eine Woche ohne zu tanken fahren können. Aus ökologischer Sicht überwiegen aber die Vorteile des Batterie-AGV bei weitem. Laut den Verantwortlichen bei Demag Cranes soll das Batterie-AGV mit Wechselstation zudem nicht viel teurer sein als ein diesel-elektrisches AGV mit der zugehörigen Tankstelle.

Der Hafen als Lebensraum

AGV-Flotte im Hafen. Quelle: Demag Cranes
Ein Containerhafen kann sich nicht beliebig ausdehnenBild: Demag Cranes

Häfen spielen in Zeiten der Globalisierung eine immer wichtigere Rolle. Für immer mehr Güter in immer mehr Containern benötigen sie immer mehr Platz. In der Regel befinden sich große Häfen in großen Städten. Der Hafenraum und der Wohnraum grenzen aneinander. Die Häfen können sich also nicht ungehindert ausdehnen. Wohn- und Hafengebiete rücken immer näher aneinander. Zudem gilt es heute auch als chic, in umgebauten Hafenanlagen zu wohnen. Der Blick auf das Wasser wird immer beliebter. In Hamburg beispielsweise zieht es immer mehr Menschen in die Hafengegend. Die Preise sind dementsprechend angezogen. Allerdings möchten die meisten ungern astronomische Preise zahlen, wenn sie gleichzeitig mitten in Lärm und Abgasen wohnen.

Der Hafen muss sich also in die veränderte Umwelt einfügen. Und da machen Entwicklungen wie das batteriebetriebene Hafenfahrzeug Sinn. Es stößt keine Abgase aus und ist leise. Ein weiterer Punkt ist, dass vollautomatische Transport- und Lagersysteme in der Regel mit deutlich weniger Platz auskommen. Der Hafen muss also nicht über seine Grenzen hinaus wachsen. Die neuen "grünen" Entwicklungen können also dazu führen, dass sich das Industriegebiet in das Wohngebiet ein gutes Stück weit einfügt und so die Lebensqualität der Anwohner erhöht. Allerdings ist das eine Entwicklung, die noch eine ganze Weile braucht. Das Batterie-AGV wird nach Angaben des Unternehmens in rund 15 Monaten marktreif sein. Und dann wird sich erst zeigen, wie es den Alltag meistert.

Autor: Marco Müller
Redaktion: Rolf Wenkel