Fußballsprache in Deutschland: Kirschen, Buden, Auflaufkinder
Wer zur UEFA Fußball-Europameisterschaft noch schnell sein deutsches Spezialvokabular auffrischen möchte, ist bei unserer Bildergalerie genau richtig.
Rund um den Ball: "Hau die Kirsche rein, du Pfeife!"
Für kein anderes Spielgerät gibt es in der deutschen Sprache so viele Synonyme: Pille, Murmel, Leder, Ei, Nille, Pocke, Kirsche… Originalton Fußballplatz: "Hau die Kirsche rein, du Pfeife!" Damit wird ein schwacher Spieler (eine "Pfeife") aufgefordert, endlich zu treffen. Mit "Pfeife" ist nicht der Schiedsrichter gemeint, obwohl er eine hat. Ihn nennt man gern kurz "Schiri".
Ganz schön kriegerisch: schießen, ballern, Abwehrschlacht
Viele Fußball-Begriffe stammen aus der militärisch geprägten Sprache im deutschen Kaiserreich, als der Fußball nach Deutschland kam. So wird, wer die meisten Tore in der Bundesliga "geschossen" hat, "Torschützenkönig" und bekommt die "Torjägerkanone". In der Saison 2020/21 war das Robert Lewandowski vom FC Bayern München mit 41 Treffern. Fußball als Kampf - mit (meist) friedlichen Mitteln.
"Goal" ist hässlich, "Tor" ist schön
Es war der Deutschlehrer Konrad Koch, der im 19. Jahrhundert nicht nur den Fußball aus England nach Deutschland holte, sondern auch das Fußball-Deutsch erfand. Denn das Spiel wimmelte von englischen Begriffen. "Ersetzen wir das hässliche Fremdwort "Goal" durch "Tor", verordnete sein "Regelheft" 1903. Das half der deutschen Nationalmannschaft im Spiel gegen England 1909 nicht: Sie verlor 0:9.
"Fußlümmelei": Spieler des BFC Germania 1888, Deutschlands ältestem Fußball-Club
Die Eindeutschung sollte Fußball populärer machen. Zu Beginn hatte der Ballsport in Deutschland viele Gegner, die das fast militärisch organisierte Turnen bevorzugten. Schon die Bewegung des Schießens sei "hässlich", wetterte 1888 der Turnlehrer Karl Planck gegen die "Fußlümmelei". Ein Begriff, den heute keiner mehr kennt. Fußball dagegen ist Volkssport.
Nati-Goalie versus Nationaltorhüter
Zahlreiche Begriffe aus Konrad Kochs Regelheft von 1903 haben sich bis heute in Deutschland gehalten. Anders als in Österreich und der Schweiz, wo viele der ursprünglichen englischen Begriffe geblieben sind. Während Manuel Neuer (rechts) deutscher "Nationaltorhüter" ist, wird sein Schweizer Kollege Yann Sommer (links) "Nati-Goalie" genannt.
Da muss er rein! Bude, Hütte, Kasten
"Das Runde muss ins Eckige", hat Weltmeister-Trainer Sepp Herberger zusammengefasst. Auch für das "Eckige" gibt es haufenweise Begriffe: Ein Stürmer macht eine "Bude" oder "Hütte", "versenkt" den Ball oder "verballert" (schießt vorbei). Er "knallt den Ball in die Maschen" oder "netzt ein". Aber Vorsicht, das "tz" schön deutlich aussprechen - wer sich "einnässt“, hat in die Hose gemacht.
"Die Arschkarte gezogen!" Vom Fußball in die Alltagssprache
Wenn man "die Arschkarte gezogen" hat, hat man Pech gehabt. Wie viele andere ist diese deftige Redewendung aus der Fußballwelt in die Alltagssprache gewandert: Um Verwechslungen zu vermeiden, steckt bei Schiedsrichtern die gelbe Karte oft in der Brusttasche und die rote in der Gesäßtasche - das ist die "Arschkarte".
Klatschen, jubeln, gut aussehen: die "Spielerfrauen"
Nein, "Spielerfrauen" sind keine weiblichen Fußballer. Sondern Frauen und Freundinnen von Fußballern. Hier Lina Meyer und Cathy Hummels, beides Partnerinnen von deutschen Nationalspielern. Ein abwertender Begriff, denn er reduziert sie auf ihre Rolle an der Seite eines Mannes. Gibt es im Englischen übrigens auch: da heißen sie WAGs, Wives And Girlfriends. Auch nicht netter: "To wag" heißt wedeln.
Europameister werden! Die deutsche Nationalmannschaft
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft kämpft 2021 um den EM-Titel - wegen der Corona-Pandemie ein Jahr später als geplant. 2022 sind dann die Frauen an der Reihe. Sprachlich kurios: Auch sie spielen in einer "Mann"-schaft. Der Begriff steht dafür, wie männlich geprägt der Sport in Deutschland war und ist. Eine Frau als Männer-Trainerin? In der Bundesliga bis heute undenkbar.
Kreative Neuschöpfung: "Auflaufkinder"
Viele deutsche Kinder lieben Fußball. Sie kicken nicht nur in Vereinen, sondern auch auf Bolzplätzen und Schulhöfen. Und träumen davon, einmal im Leben an der Hand eines Stars auf den Platz zu laufen: als "Auflaufkind". Seit 2006 steht der Begriff sogar im Duden, wie auch viele andere Fußball-Neuschöpfungen, die es in die Alltagssprache geschafft haben.
Mal rauf, mal runter: "Fahrstuhlmannschaft"
Auch wenn eine ganze Mannschaft kaum in einen Fahrstuhl passt, ein schönes Sprachbild: Wenn eine Mannschaft immer wieder auf- und absteigt, nennt man sie "Fahrstuhlmannschaft". In den letzten Jahrzehnten passt der Begriff auf den 1. FC Köln, der in seiner Vereinsgeschichte schon sechs Mal aus der Bundesliga abgestiegen und anschließend wieder aufgestiegen ist.
Bemühen um Volksnähe: Sportsprache aus dem Politikermund
Auch Politiker mögen die bildreiche Fußball-Sprache. "Wir haben schon einige tolle Tore geschossen, aber gewonnen ist noch gar nichts", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag 2006. Und meinte im Jahr, als Deutschland WM-Gastgeber war, nicht die Spiele, sondern ihre Politik. Aber Vorsicht: Inflationärer Floskel-Gebrauch kann leicht zum Eigentor werden.