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Kirigisistan nach den Wahlen: Ein weiter Weg zu stabilen Verhältnissen

14. Juli 2005

Der neu gewählte kirgisische Präsident Bakijew will für Stabilität im Land sorgen und die Korruption bekämpfen. Meint er es ernst, stehen ihm schwere Monate bevor, meint Christiane Hoffmann in ihrem Kommentar.

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Deutlicher kann ein Wahlsieg kaum sein. Mit knapp 90 Prozent der Stimmen wird Kurmanbek Bakijew neuer Präsident von Kirgisistan. Das sind fast schon sozialistische Verhältnisse. Auch wenn die OSZE-Wahlbeobachter keine so eklatanten Wahlfälschungen wie vor drei Monaten bei der Parlamentswahl feststellten, ist das Land weit entfernt von stabilen und demokratischen Verhältnissen, wie sie der Westen versteht.

Zwar versprach der aus dem armen Süden Kirgisistan stammende Kurmanbek Bakijew im Wahlkampf Stabilität und die Einheit des Landes, die er in einer politischen Allianz mit dem bisherigen Sicherheitschef Felix Kulow erreichen will. Doch ob er es ernst meint und nicht dem alleinigen Machtstreben erliegt, muss sich erst erweisen. Erste Anzeichen, die zweifeln lassen, gibt es bereits: So soll sich das Bankvermögen des stellvertretenden Premiers Daniar Usennow in den vergangenen Monaten verfünffacht haben.

Schon der Umsturz im März, die so genannte Tulpenrevolution, verlief alles andere als demokratisch und friedlich, wie es die vermeintlichen Vorbilder in Georgien und der Ukraine waren. Es war mehr die Machtergreifung eines anderen Clans, der nun auch mal an die "Fleischtöpfe" wollte, nachdem Ex-Präsident Akajew seine Familie jahrelang mit Posten, Unternehmen und Staatsgeldern versorgt hatte.

Und auch der fast unsichtbare Wahlkampf hatte wenig von Pluralismus. Meist ging es um einen Kandidaten - Kurmanbek Bakijew. Er war das Gesicht auf den wenigen Wahlplakaten, die im Land zu sehen waren, und auch in den Medien wurde meist über ihn berichtet - positiv natürlich.

Bakijew warb vor allem mit der Einheit und Stabilität im Land und mit dem Kampf gegen die Korruption. Ohne Frage sind dies die drängendsten Probleme in dem in Nord und Süd geteilten Land. Meint er es ernst damit, so stehen ihm schwere Monate bevor. Zwar werden dem Bündnis mit dem aus dem Norden stammenden Felix Kulow, der Premierminister werden soll, die besten Chancen eingeräumt, Stabilität im Land zu schaffen.

Doch Bakijew und Kulow bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen widerstreitenden Clan-Interessen. So will Kulow eine Verfassungsreform durchsetzen und eine parlamentarische Demokratie schaffen. Die Entmachtung des Präsidenten wäre die Folge. Ein Ansinnen, das Bakijew nicht teilt. Über die in einigen Regionen massiv gefälschte Parlamentswahl muss eine Entscheidung getroffen werden. Wird die Wahl insgesamt wiederholt oder nur in einzelnen Wahlbezirken? Die bereits im Parlament sitzenden Abgeordneten weigern sich derzeit, eine Neuwahl zu akzeptieren. Und Unruhen sind schnell organisiert, wie der Aufruhr einiger hundert Anhänger eines Kandidaten im Juni gezeigt hat. So müsste zuerst ein Mentalitätswechsel in dem Land einsetzen, das zu den 25 korruptesten Staaten weltweit zählt. Denn Politik wird hier vor allem als Mittel begriffen, wirtschaftliche Macht zu erringen.

Auch außenpolitisch und wirtschaftlich wird Kirgisistan in die Zange genommen - von den autoritär regierten Nachbarstaaten in Zentralasien, von China und von Russland. So übt derzeit vor allem Usbekistan Druck aus: Kirgisistan soll die Flüchtlinge, die nach den Unruhen in Andischan über die Grenze flohen nach Usbekistan zurückschicken. Andernfalls würden im Winter die Gaslieferungen eingestellt. Auch der Einfluss Russlands in der Region steigt wieder. Und so orientiert sich Bakijew derzeit auch Richtung Moskau. Schlechte Zeiten für einen demokratischen Wandel.

Dabei hätte Kirgisistan theoretisch die Chance, das liberalste unter den zentralasiatischen Ländern zu werden. Voraussetzung ist eine Regierung, die die widerstreitenden Interessen ausbalancieren kann und der eigenen Machtbereicherung widersteht. Andernfalls drohen Staatszerfall und Unruhen zwischen den einzelnen Volksgruppen in Kirgisistan. Und nicht zuletzt bieten solche Situationen und die Armut der Menschen einen idealen Nährboden für extreme religiöse Kräfte, die sich in der Region sammeln.

Christiane Hoffmann

DW-RADIO, 11.7.2005, Fokus Ost-Südost