1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kirgisistan: Parlaments-Auflösung nach Verfassungs-Referendum

25. Oktober 2007

Gleich nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse der Volksabstimmung über eine neue Verfassung hat der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew das Parlament des Landes aufgelöst.

https://p.dw.com/p/BwaF
Bakijew bei der Stimmabgabe (21.10.2007)Bild: AP

Laut den vorläufigen offiziellen Angaben der Zentralen Wahlkommission Kirgisistans haben mehr als 75 Prozent der Wähler für die Annahme der vom Präsidenten des Landes vorgeschlagenen neuen Verfassung und des neuen Wahlgesetzes gestimmt. Die Änderungen sehen vor, dass das Parlament des Landes künftig nur nach Parteilisten gewählt wird.

Streit um Verlauf der Abstimmung

Inzwischen erklärten unabhängige Beobachter, während der Abstimmung habe es grobe Verstöße gegeben, weswegen die Ergebnisse des Referendums nicht legitim seien. Die Wahlbeteiligung sei überhöht, Wähler, darunter Studenten, seien massenweise zu den Wahllokalen herangefahren. Mitglieder von Wahlkommissionen hätten stoßweise zuvor ausgefüllte Wahlzettel in die Urnen geworfen, heißt es in einem Bericht von NGO-Beobachtern. Die Koordinatorin des Zentrums Interbilim, Jelena Wornina, meint, die Staatsmacht habe keine Lehren aus früheren Erfahrungen gezogen: "Wir beobachten, dass administrative Ressourcen genutzt wurden. Die Haltung gegenüber unseren unabhängigen Beobachtern war voreingenommen. Die Bürger wurden mit warmem Mittagessen versorgt. Damit lockte man Menschen in den Städten und auf dem Lande an. Mancherorts gab es sogar alkoholische Getränke."

Das Mitglied der Zentralen Wahlkommission, Gulja Ryskulowa, versichert hingegen, es habe keine Verstöße gegeben, die den Ausgang der Abstimmung hätten beeinflussen können: "Bei der Zentralen Wahlkommission ist keine besonders große Anzahl von Beschwerden oder Anrufen eingegangen. Bis heute sind keine ernsten Verstöße festgestellt worden."

Präsident sieht Staatsordnung gefährdet

Einen Tag nach dem Referendum unterzeichnete Präsident Kurmanbek Bakijew einen Erlass über die Auflösung des Parlaments. Er betonte, die Abgeordneten hätten sich zu häufig in die Arbeit anderer Machtzweige eingemischt. Manchmal sei es fast zu einem Staatsstreich durch das Parlament gekommen. Außerdem habe es versucht, die Beschlüsse des Verfassungsgerichts über die Aufhebung der letzten Verfassungsänderungen anzufechten. Das sei der Hauptgrund für die Auflösung des Parlaments.

"Es verabschiedete Beschlüsse, die darauf abzielten, die garantierte Unabhängigkeit der Gerichte zu ignorieren und deren normale Arbeit zu behindern. Diese Haltung des Parlaments zerstört das Rechtssystem unseres Staates. Es entstand ein unüberwindbarer Widerspruch - eine Krise zwischen beiden Machtzweigen. In dieser Situation verpflichtet mich die geltende Verfassung, die Auflösung des Parlaments zu beschließen. Und das habe ich gemacht", erläuterte der kirgisische Präsident.

Parlamentarier vermissen Begründung

Für die Parlamentarier kam der Beschluss des Präsidenten nicht überraschend. Viele hatten jedoch nicht damit gerechnet, dass er so schnell kommt. Der Abgeordnete Temir Sarijew meint, der Präsident dürfe, nachdem er das Parlament aufgelöst habe, laut Gesetz die Ergebnisse des Referendums nun nicht mehr umsetzen: "Wenn er sie per Erlass umsetzt, dann verstößt er gegen das Gesetz", glaubt Sarijew.

Die kirgisischen Parlamentarier ordneten sich aber dem Präsidentenerlass unter und beendeten bereits am Mittag des 22. Oktober ihre Arbeit. Der nun ehemalige Parlamentsvorsitzende Marat Sultanow ist dennoch überzeugt, dass es keine reale Begründung für die Auflösung gebe: "Der Präsident hat uns aufgrund angeblich unüberwindbarer Widersprüche zwischen dem Parlament und dem Verfassungsgericht entlassen. Das Parlament hat einige Urteile des Verfassungsgerichts bewertet. Wir sind bis heute der Meinung, dass die Urteile des Verfassungsgerichts nicht legitim waren."

Termin für Neuwahlen unklar

Bis zur Wahl eines neuen Parlaments werden dessen Vollmachten nun vom Präsidenten des Landes wahrgenommen. Laut Gesetz müssen innerhalb von 60 Tagen nach der Parlamentsauflösung Neuwahlen durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang erklärte der Abgeordnete Sarijew: "Er löst das Parlament auf, setzt aber keine vorgezogenen Wahlen an. Eine solche Staatsmacht haben wir heute!"

Witalij Katargin, Bischkek
DW-RADIO/Zentralasien, 22.10.2007, Fokus Ost-Südost