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Kino in der Ukraine steht vor Ukrainisierung

16. Februar 2006

Kiew will den Filmverleih ab September schrittweise ukrainisieren. Mit der Zeit sollen ausländische Filme in ukrainischer Synchronisierung oder in der Originalsprache mit ukrainischen Untertiteln vorgeführt werden.

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Wie steht es um die technischen Voraussetzungen?

Das ukrainische Ministerkabinett fordert die Synchronisation oder Untertitelung von Filmen, die in Kinos vorgeführt werden. In einem vor kurzem verabschiedeten Beschluss heißt es zur Begründung, laut der letzten Volkszählung sprächen 70 Prozent der Bevölkerung im Alltag Ukrainisch. Die Verleihfirmen behaupten einhellig, in der Ukraine gebe es aber keine technischen Voraussetzungen, Spielfilme direkt ukrainisch zu synchronisieren.

Piraten werden sich freuen

Roman Martynenko, der bei der Firma Invest Distribution für den Filmverleih zuständig ist, meint, für eine Synchronisation werde man nach Russland fahren müssen. Der dadurch entstehende Zeitverlust würde die Ukraine in eine Peripherie des Filmverleihs verwandeln. Die Verzögerung, die im Verleih entstehen würde, würde zudem die Piraterie fördern, meinen Kenner des Kinomarktes. Nach dem Start des Verleihs eines Films in Russland würden in der Ukraine sofort russischsprachige Kopien auftauchen. Martynenko sagte in diesem Zusammenhang: "Die Piraten werden sich freuen. Bei uns entsteht im Vergleich zu Russland eine Verzögerung der Premiere um mindestens eine Woche."

US-Firmen können sich Synchronisation leisten

Die Ukrainisierung des Filmverleihs könnte darüber hinaus zu einer Verringerung des Filmangebots in den Kinos führen. Kleine Verleihfirmen, die heute das Angebot bereicherten, wären gezwungen, ihren Betrieb einzustellen, meinen Experten. Schon heute sind die Gewinne der Verleihfirmen in der Ukraine marginal. Insgesamt werden auf dem Markt 50 Millionen Dollar umgesetzt. Große Verleihfirmen, die es sich leisten können, für die Synchronisierung eines Films 25.000 Dollar zu zahlen, sind meist Töchter amerikanischer Gesellschaften, die vor allem eigene US-Filme anbieten.

Welle russischer Filme erwartet

Andrij Djatschenko, Chef der Firma Gemini, einer der größten auf dem ukrainischen Markt, gibt zu, dass Filme, die nur ein geringes kommerzielles Potential hätten, nicht in die großen Kinos kämen. Die Befürchtung, das künstlerische Niveau im Filmverleih werde leiden, sei unberechtigt, denn schon heute würden viele Filme nur noch auf Filmfestivals gezeigt. Djatschenko erwartet eher eine Welle russischer Filme auf dem ukrainischen Markt: "Es wird mehr russische Filme geben, weil sie nur untertitelt werden müssen. Sie müssen nicht synchronisiert werden. Deswegen wird es mehr russische und weniger westliche Filme auf dem Markt geben."

Der russische Film kommt im ukrainischen Verleih in eine günstige Position, weil der Regierungsbeschluss erlaubt, Filme mit Untertiteln zu versehen, was deutlich günstiger als eine Synchronisation ist. Der Regierungsbeschluss verlangt zugleich, einen mit ukrainischen Untertiteln versehen Film in der Originalsprache vorzuführen. Ein japanischer oder französischer Film dürfte demnach, obwohl es von ihm eine russischsprachige Kopie gibt, nur in der Originalsprache mit ukrainischen Untertiteln gezeigt werden.

Gute ukrainische Synchronisation Frage der Zeit

Die Forderung der Regierung ist nach Ansicht der Verleihfirmen normal. In den meisten europäischen Ländern würden ausländische Filme mit Untertiteln versehen. Die dortigen Kinobesucher seien Untertitel gewohnt, die Ukrainer aber nicht, sie würden sie ablehnen, meinen Fachleute. Djatschenko von der Firma Gemini betonte, niemand stelle die Notwendigkeit eines ukrainischsprachigen Kinos in Frage, aber die Regierung habe keinen Mechanismus erarbeitet, mit dem der Beschluss umgesetzt werden könne. Er sagte: "Ich denke, dass der Beschluss Interessenten anregen wird, Geld zu investieren, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Der Staat wird wohl kein Geld investieren. Ich glaube, dass wir nach einer gewissen Zeit gute ukrainische Synchronisationen hinbekommen werden."

Kostenbeteiligung des Staates verlangt

Die kleinen Verleihfirmen, die um ihr Geschäft bangen, halten den Regierungsbeschluss für verfrüht. Der Kinoverleih entstehe erst und die neue Regelung würde die Entwicklung bremsen. Die Einführung der ukrainischen Synchronisation würde derzeit nur dann schmerzlos verlaufen, wenn der Staat einen Teil der Kosten übernehmen würde, oder die Regelung für eine gewisse Zeit aussetzen würde, meinen die kleinen Verleihfirmen.

Olena Hmyrjanska
DW-RADIO/Ukrainisch, 12.2.2006, Fokus Ost-Südost