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Communicator-Preis an Kinder- und Palliativmediziner

Gudrun Heise30. Juni 2015

Boris Zernikow will Aufmerksamkeit für Kinder schaffen, die unter großen Schmerzen leiden oder nur noch kurze Zeit zu leben haben. Für seine Arbeit und für sein Anliegen bekommt er den Deutschen Communicator-Preis 2015.

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Boris Zernikow untersucht ein Kind (Foto: Kinderklinik Datteln).
Bild: Kinderklinik Datteln

Name: Boris Zernikow, geboren am 12. August 1964 in Bochum, Medizinstudium in Münster und an der Harvard Medical School in Boston, Promotion zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderonkologie. Heute Chefarzt für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin in Datteln und Träger des Communicator-Preises 2015. Seine zentralen Themen: Schmerz, Schmerztherapie und Palliativersorgung bei Kindern und Jugendlichen.

Der Mediziner engagiert sich dafür, diese Themen verstärkt in eine breite Öffentlichkeit zu bringen. Er beschäftigt sich intensiv mit chronischen Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen, auch mit denjenigen, die unter einer sogenannten lebensverkürzenden Erkrankung leiden. Bei ihnen ist schon in sehr jungen Jahren klar, dass sie früh versterben.

Kindgerecht kommuniziert er dieses schwierige Gebiet, erklärt Kindern und Jugendlichen die Hintergründe, auch mit außergewöhnlichen Mitteln: "Wir haben zum Beispiel zusammen mit dem letzten Chefzeichner von "Fix und Foxy" einen Trickfilm erstellt, in dem Kindern chronischer Schmerz erklärt wird", so Zernikow. Dieser Film mit dem Titel: "Den Schmerz verstehen – und was zu tun ist".

Zeit zählt

Eine junge Patientin malt (Foto: imago/ITAR-TASS).
Wichtig ist, dass Kinder verstehen, wie Schmerz entstehtBild: imago/ITAR-TASS

Auch bei chronischem Schmerz sei es notwendig, dass Kinder sich in ihrem Alltag normal bewegen, so der Preisträger. "Um das zu erreichen, ist es unglaublich wichtig, dass die Kinder verstehen, wie chronischer Schmerz entsteht. Sonst hat man sie nicht mit im Boot. Kinder finden es toll, wenn man sich die Zeit nimmt, ihnen zu erklären, warum es immer weh tut."

Zernikow ist davon überzeugt, dass die Aufklärung von Patienten der erste - vor allem aber der wichtigste Schritt - in der Behandlung ist. Das trifft vor allem für seine jungen Patienten zu.

Viele der Kinder, die zu ihm ins Deutsche Kinderschmerzzentrum nach Datteln kommen, leiden unter verschiedenen Arten von Schmerzen: Kopf- und Bauchschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, ohne dass etwa eine Organschädigung vorliegt. "Aber trotzdem gibt es starke Schmerzen, die die Kinder traurig und ängstlich machen, und die sie beispielsweise davon abhalten, regelmäßig in die Schule zu gehen", weiß Zernikow.

Zwei Hauptgebiete

Die Arbeit des Preisträgers teilt sich im Wesentlichen auf zwei Bereiche auf: das Deutsche Kinderschmerzzentrum und die Vestische Kinderklinik in Datteln. Sie beheimatet das erste Kinder-Palliativzentrum in Europa. Dort kümmern sich Ärzte und medizinisches Personal um Kinder, die vielleicht auch unter Schmerzen leiden, deren Hauptproblem aber eine Erkrankung ist, die in absehbarer Zeit zum Tod führen wird. "Darunter fallen zum Beispiel Hirntumoren, oder aber Stoffwechselerkrankungen", so der Mediziner.

In der Praxis unterscheidet Zernikow vier Ebenen, die für die Behandlung wichtig sind: Zum einen gehe es um die Biologie, dazu gehören Medikamente. Um die Psychologie, etwa durch bestimmte Ablenkungstechniken. Und auch die soziale Ebene - beispielsweise die Unterstützung durch die Eltern - spiele eine große Rolle, genauso wie die spirituelle. Ein Beispiel dafür: "Ich habe Atemnot, und ich denke die ganzen Zeit: 'Lieber Gott, warum lässt du das zu?' Und dann gerate ich immer mehr in Atemnot", beschreibt Zernikow eine mögliche Situation.

Mediziner und Forscher

An der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln, die gleichzeitig eine Klinik der privaten Universität Witten/Herdecke ist, hat Zernikow das Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin aufgebaut. Er leitete es als Chefarzt. Aus diesem Institut haben sich mittlerweile das Deutsche Kinderschmerzzentrum und das Kinderpalliativzentrum Datteln entwickelt. Seit 2008 hat er den ersten Lehrstuhl für Kinderschmerztherapie und pädiatrische Palliativversorgung. Es ist europaweit die einzige derartige Einrichtung.

Deutsches Kinderschmerzzentrum (Foto: Marius Becker dpa/lnw)
Boris Zernikow hat unter anderem das Deutsche Kinderschmerzzentrum aufgebautBild: picture-alliance/dpa

Aber auch auf der Forschungsebene engagiert sich Zernikow. "In der Palliativmedizin forschen wir vor allen Dingen an Schlafstörungen bei Kindern mit Mehrfachbehinderungen. Sie können uns ihr Problem meist nicht sagen. Da brauchen wir Instrumente, mit denen wir diese Schlafstörungen einschätzen können und dann in Medikamentenversuchen, in psychologischen und psychosozialen Versuchen messen können, ob wir erfolgreich sind."

Viele Sachen sind ihm wichtig, es kommen immer wieder welche hinzu, er entwickelt immer wieder neue Forschungsprojekte, und bei allem scheint er mit großem Engagement dabei zu sein.

"Im Moment bedrückt uns vor allem eins: Wir haben erforscht, dass reiche Familien eher die Kinder zu uns ins Deutsche Kinderschmerzzentrumbringen können als arme Familien. Wir möchten natürlich gerne ergründen, woran das liegt." Finanzen sind dabei nur ein Aspekt. "Dieses Ungleichgewicht, das in Deutschland herrscht und das man in der Krankenversorgung zunehmend sieht, das möchten wir weiter erforschen. Natürlich möchten wir das auch verändern."

Mehr zum Preis:

Der "Communicator-Preis - Wissenschaftspreis des Stifterverbandes" wird von der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) ausgeschrieben. Dieser mit 50.000 € dotierte, persönliche Preis wird an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben, die sich in hervorragender Weise um die Vermittlung ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse in die Öffentlichkeit bemüht haben.

Die Vorschläge aus unterschiedlichen Fachgebieten werden nach den Kriterien Relevanz, Zielgruppe, Originalität und Nachhaltigkeit von einer Jury, bestehend aus Wissenschaftsjournalisten, Kommunikations- und PR-Fachleuten, beurteilt. Die DFG nennt dem Stifterverband den von der Jury gewählten Preisträger. (Quelle: DFG)