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Kinder leiden unter unseren Fehlern

26. September 2015

Millionen Menschen sind auf der Flucht, und viele von ihnen sind Kinder. Was sagt es über uns aus, wenn wir sie nicht aufnehmen? Renate Kirsch denkt darüber nach für die evangelische Kirche.

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Kroatien Opatovac Flüchtlingslager Erstaufnahmeeinrichtung
Bild: DW/G. Matthes

Ein erschütterndes Bild
September 2015 - ein Monat wie kein anderer bisher in diesem Jahr!
Abertausende Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan, aus allen Kriegs-und Krisengebieten der Welt versuchen die Festung Europa zu stürmen. So viele wie niemals zuvor. Und viele verlieren ihr Leben dabei. Denn es ist gefährlich, ja lebensgefährlich für Männer, Frauen und Kinder, europäischen Boden zu erreichen. Nur einige der 28 europäischen Länder nahmen bisher großzügig die Gestrandeten auf. Gut, dass Deutschland dazugehört. Ich kann nur hoffen, dass es immer mehr werden.
Denn es ging ein erschütterndes Bild um die Welt.
Das Foto des kleinen dreijährigen syrischen Jungen, bäuchlings liegt er ertrunken an der türkischen Küste. In vielen Ländern haben Menschen um dieses hilflose Kind geweint als sei es ihr Sohn oder ihr Enkelchen. Dieses Foto ist zu Herzen gegangen und hat ganze Regierungen umgestimmt. Das Elend der Asylsuchenden schreit zum Himmel mit der Stimme des ertrunkenen kleinen Aylan.

Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…
Und, fragen die Skeptiker: „Hört der Himmel?“
In der Evangelischen Kirche gibt es für jeden Monat einen sogenannten Monatsspruch. Das Wort für den Monat September lautet:
Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Jesus sagt dieses Wort zu seinen Jüngern, die gerade dabei waren, festzulegen, wer unter ihnen der Größte und Wichtigste sei. Da ruft Jesus ein Kind herbei, stellt es mitten unter die ach so wichtigen Jünger. Nehmt so ein Kind, mag er gesagt haben, als Maßstab für ein vor und mit Gott geglücktes Leben. Da geht es nicht um oben und unten, nicht um Macht und Einfluss, da geht es einzig um Nähe und Liebe. Jesus führt uns leistungsorientierten oder besser: leistungsverblendeten Erwachsenen die Kinder mit ihrem Lebens- und Gottvertrauen als Vorbild vor Augen. Ein paar Sätze später sagt er im Matthäusevangelium: Wer ein solches Kind aufnimmt, in meinem Namen, der nimmt mich auf. Wer Aylan und all die toten und lebenden Asylkinder in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf. Und wer sein Herz verschließt, sich hinter den unkalkulierbaren Kosten verschanzt, sich entmutigen lässt von der ungeheuer großen Zahl an Flüchtlingen, wird sich schuldig machen vor Gott.
Weltweit müssen die Kinder erdulden und erleiden, was die Erwachsenen an Chaos anrichten: Kriege, Vertreibung und Flucht, Armut und Hunger. Schutz, oder auch nur Richtlinien für Kinder im Asylverfahren gibt es bisher nicht. Außer, dass sie als Schulpflichtige eingeschult werden müssen. Wie soll das gehen, wenn weder sie noch die Lehrkräfte eine gemeinsame Sprache haben? Der derzeitige Umgang mit Flüchtlingskindern verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

Botschafter der Menschenrechte
Ich wundere mich und staune, wie viele Kinder trotzdem lachen können, irgendwie etwas zum Spielen finden und vor allem erwartungs- und vertrauensvoll auf Erwachsene schauen, von denen sie Hilfe erhoffen.
Nicht alle haben es so gut getroffen wie die kleine Sara und ihr Bruder Asim. Sie sind ganz bald in einem Kindergarten aufgenommen worden und sind stolz, ihrer syrischen Mutter erste deutsche Worte beibringen zu können. Sie flitzen mit Roller und Rädchen durchs Dorf, winken und werden gegrüßt. Sie sind angekommen. Sie sind Botschafter der Menschenrechte, die Mut machen, aber auch mahnen. Denn der kleine tote Aylan und die vielen im Mittelmeer ertrunkenen Kinder sind es auch. Wer solche Kinder aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf, sagt Jesus. Wir bitten um Mut und Kraft und Phantasie, gegen das Elend der Asylsuchenden aufzustehen. Wir haben -und darauf vertrauen wir – Gott auf unserer Seite.

Zur Autorin: Renate Kirsch (Jahrgang 1937) lebt in Oberbayern, in Brannenburg am Inn. Sie ist in Duisburg geboren und studierte Germanistik sowie evangelische Theologie und war dann als Deutsch- und v.a. als Religionslehrerin am Gymnasium tätig. Von 1988 bis 1992 sprach Renate Kirsch in der ARD das „Wort zum Sonntag“. Seit vielen Jahren ist sie in der kirchlichen Rundfunkarbeit, in der Erwachsenenbildung und beim Weltgebetstag der Frauen (jedes Jahr am 1. Freitag im März) tätig. Renate Kirsch ist mit einem Pfarrer verheiratet und sie haben drei mittlerweile erwachsene Kinder.

Renate Kirsch Gottesdienst Brannenburg am Inn
Renate KirschBild: Renate Kirsch

Kirchliche Verantwortung: Pfarrer Christian Engels