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Fußball-Stars werben für Süßes und Fettiges

Günther Birkenstock18. Juni 2012

Die Lebensmittelindustrie nutzt die EM-Euphorie, um ihre Produkte zu vermarkten. Gerne auch mit prominenter Unterstützung. Doch Verbraucherschützer warnen vor Kickern, die Süßes und Fettes als gesund verkaufen sollen.

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Thomas Müller wirbt für Bifi Quelle: ad publica
Bild: ad publica

In Kindernahrung ist zu viel Fett, zu viel Salz und zu viel Zucker. Das kritisieren Kinderärzte und Verbraucherschützer schon lange. Und jetzt wird für das ungesunde Essen auch noch kräftig während der EM geworben, beklagen die Grünen. Sie haben Nahrungshersteller vorgeworfen, diese "Kinder-Köder-Taktik" verstoße gegen die Selbstverpflichtung vieler Unternehmen der Branche, keine Werbung an Kinder unter zwölf Jahren zu richten. Für Bärbel Höhn, Grünen Fraktionsvize im Deutschen Bundestag, sind viele Fan-Lebensmittel "wahre Kalorienbomben". Unlängst hatte ihre Fraktion in Zusammenarbeit mit dem Chefarzt der Potsdamer Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Michael Radke, mehrere Dutzend Nahrungsprodukte untersuchen lassen, die von Herstellern als EM-Fanprodukte beworben wurden. Demnach handelte es sich dabei zu drei Vierteln um Süßwaren, süße Getränke oder Snacks. Weitere zehn Prozent waren alkoholhaltige Getränke.

Die Hälfte der untersuchten Lebensmittel enthielt den Angaben zufolge mehr als 500 Kalorien pro 100 Gramm. Die Studie kritisierte, dass die EM-Produkte mit aufgedruckten Comicfiguren, Teamstickern, Sammelbildchen oder Fußball-Tattoos besonders Kinder ansprächen. Durch Sammelaktionen versuchten die Hersteller, Kunden an ihre Produkte zu binden und zum Mehrkauf anzuregen.

Verpackung Kellogg's Choco Krispies Quelle: Kellogg's
Werbung mit Fußball-Star Mario GötzeBild: Kellogs

Unverständliche Angaben

Für Kinderarzt Michael Radke ist das Wichtigste an der Studie ein Punkt, den er und seine Kollegen schon lange kritisieren: "dass die Deklarationen auf Süßigkeiten und Nahrungsmitteln für Kinder nicht eindeutig sind. Wenn Sie Großeltern sind und wollen ihren Enkeln Süßigkeiten kaufen, dann haben Sie keine Chance ohne riesengroße Lupe zu lesen, was auf diesen Verpackungen steht. Selbst wenn Sie es lesen können, haben Sie immer noch nicht verstanden, was dahinter steckt."

Die mangelnde Kennzeichnung einerseits und die Werbung für Süßes und Fettes mit der Aussage "gesund" kritisieren Verbraucherschützer schon lange. Die Organisation "Food Watch" hatte Anfang des Jahres rund 1500 Kinderlebensmittel unter die Lupe genommen. Ihr Ergebnis: Bei fast drei Viertel der Produkte handelte es sich um süße und fette Snacks, die nach den Empfehlungen des Bundesernährungsministeriums nur sparsam verzehrt werden sollten. Fazit: Mit dem industriellen Angebot an Kinderlebensmitteln ist eine ausgewogene Ernährung praktisch unmöglich.

Junkfood bringt mehr Profit

Der Grund für das Anpreisen im Grunde ungesunder Lebensmittel liegt nach Meinung von "Foodwatch" auf der Hand. "Mit Obst und Gemüse lässt sich nur wenig Profit machen – mit Junkfood und Softdrinks schon mehr. Es lohnt sich ganz einfach nicht, gesunde Produkte ans Kind zu bringen." Während die Hersteller mit Obst und Gemüse Margen von weniger als 5 Prozent erzielen, erreichen sie bei Süßwaren, Softdrinks und Snacks Umsatzrenditen von 15 Prozent und mehr. Schon jetzt müssen Lebensmittelproduzenten die Inhaltsstoffe auf der Packung zusammen mit dem sogenannten GDA-Wert angeben. Der "Guideline Daily Amount" ist ein Richtmaß für den Tagesbedarf von Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren und Salz. Die Schwierigkeit besteht darin, dass sich die GDA-Angaben auf eine Portion beziehen, deren Größe der Hersteller selbst wählt. Oft nehmen die Verbraucher aber deutlich mehr zu sich, so dass die Information keinen Wert besitzt.

Der Trick mit der Portionsgröße. Zwei Schüsseln. GDA-Portion und übliche Verzehrsmenge Quelle: Foodwatch
Der Trick mit der PortionsgrößeBild: Foodwatch

Ampel zeigt den Weg für mehr Gesundheit

Kinderarzt Radke plädiert deshalb für eine Gesundheitsampel, die Verbraucherschutzverbände schon lange fordern: "Es geht um eine einfache und gut verständliche Deklaration: grüne Ampel gut, rote Ampel schlecht, also wenig Energie oder Salz." Jeder wisse, dass ein übermäßiger Salzkonsum gerade für Kinder nicht gut sei. Salzhaltige Snacks, wie Kartoffel-Chips bekämen deshalb eine rote Ampel. Diese einfachen Dinge, die man regeln könnte, würden nicht geregelt, "und das kritisieren wir."

Kinderlebensmittel mit Nährwertkennzeichnungen (Ampel) nach britischem Vorbild Quelle: Foodwatch
Kinderlebensmittel mit AmpelBild: Foodwatch

Das Problem seien nicht die deutlich gesundheitsschädlichen Stoffe, fügt der Berliner Arzt hinzu. Diese Stoffe seien in Lebensmitteln und Kinderspielzeug verboten. Doch bei Zucker, Salz und Fett komme es auf die Dosierung an. Hier würden die Verbraucher in die Irre geführt. Und das vor allem während der Fußball-Europameisterschaft mit prominenter Unterstützung, betont Radke: "Da wirbt ein Mitglied der Fußball-Nationalmannschaft für ein kräftiges Frühstück mit Kelloggs-Cornflakes. Wenn man sich aber mal die Packung ansieht, dann stellt man fest, dass ein riesengroßer Anteil Zucker in diesen Cornflakes enthalten ist. Das ist also nicht etwa ein kräftiges Frühstück, sondern muss als Süßigkeit gelten."

Gefährliche Mogelpackung

Dass die Lebensmittelhersteller Jugendidole für ihre Werbung nutzen, ist wirtschaftlich verständlich. Vor dem Hintergrund, dass die Hälfte der Deutschen an Übergewicht leidet - mit entsprechenden Spätfolgen von Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen - ist die Werbung mit Fußballstars jedoch fragwürdig. Für Michael Radke ist die Sache klar: "Da richten wir ja bei der Gesundheit in der Bevölkerung Schaden an, wenn Sportler, die als Vorbilder für körperliche Ertüchtigung gelten, für Dinge werben, die gerade für Kinder nicht geeignet sind. Das ist eine Mogelpackung."

Mädchen, das Essen in sich hineinstopft. Symboldbild Kind Übergewicht
Zehn Prozent aller Schulanfänger wiegen zuvielBild: Fotolia/Luis Santos

Gesetzliche Vorschriften für die Dosierung von Zucker und Fett in Lebensmitteln gibt es nicht. Hier ist der Bürger selbst gefragt. Neben der klaren Deklaration der Inhalte von Lebensmitteln durch die Industrie, könnten aber auch die Supermärkte mit einfachen Schritten viel tun, meint Mediziner Radke, denn "solange die vielfältigen bunten Riegel, die ganzen Süßigkeiten in unmittelbarer Kassennähe in Augenhöhe von Kindern konzentriert angeboten werden, haben wir ein Problem."