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Kinder, Kibbuz, Kino

Jörg Taszman6. August 2008

Die preisgekrönte, bewegende israelisch-deutsche Koproduktion "Sweet Mud" erzählt über das Aufwachsen mit einer allein erziehenden Mutter im Kibbuz - einschließlich sozialistischer Prinzipien und Sexualkunde.

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Miri (Ronit Yudkevitch) und Dvir (Tomer Steinhof), Mutter und SohnBild: picture-alliance/dpa

Sweet Mud - zu deutsch "süßer Schlamm" - heißt dieser autobiografische Film des Regisseurs Dror Shaul, der mit dem israelischen Oscar und dem Gläsernen Bären auf der Berlinale 2007 ausgezeichnet wurde.

Film Sweet Mud
Unbeschwert und heiter ist das Aufwachsen im Kibuz nicht immer, wie hier im FilmBild: wfilm

Der 12-jährige Kibbuznik Dvir erlebt 1974 sein Bar-Mitzvah-Jahr, das Jahr in dem er die Religionsmündigkeit erwirbt. Im Kibbuz, der nach sozialistischen Prinzipien der Gleichheit und der gemeinsamen Verantwortung streng durchorganisiert ist, zählt der Einzelne weniger als die Gemeinschaft. Den Kindern werden klare Grundsätze eingebläut - auch im Sexualkundeunterricht von der aus Frankreich stammenden Klassenlehrerin.

"Nicht immer wahre Geschichte"

Regisseur Shaul weiß, wovon er spricht, denn er wuchs selber bis zum Alter von 22 Jahren in einem Kibbuz auf. "Es handelt sich nicht immer um eine sogenannte wahre Geschichte, aber es sind meine Kindheitserinnerungen. Leider sind viele Begebenheiten, die ich erzähle, nicht ausgedacht oder erfunden", sagt Shaul. "Ich habe nur die Handlung auf die Dauer eines Jahres verdichtet."

Für den Filmemacher ist "Sweet Mud" in erster Linie ein Film über eine Mutter-Sohn Beziehung, denn Dvir hängt an seiner allein erziehenden Mutter Miri, die depressiv ist. Er versucht ihr zu helfen, ist jedoch überfordert. Shaul kritisiert so mit seinem Film auch Idealvorstellungen der Kibbuzbewegung. "Es gab ja dieses System der Kinderhäuser. Man nahm die Babys den Eltern schon nach wenigen Wochen weg. Dann sahen die Eltern ihre Kinder nur drei Stunden am Tag von vier bis sieben Uhr."

Die Babys und Kinder schliefen allein, wie man es im Film sieht. Es gab eine Wache, die nur per Gegensprechanlage merkte, wann die Kleinen weinten und Hunger hatten. "Aber was geschieht, wenn dann ein zweites Baby weint? Die Verantwortliche kann es nicht hören, weil sie ja zum ersten Baby gegangen ist", sagt Shaul. "All diese Dinge führten dazu, dass sich die Kinder verlassen fühlten. Das hatte psychologische Auswirkungen auf Menschen."

Mit der Geschichte um die Welt

Dror Shaul
Regisseur Dror Shaul verarbeitete KindheitserinnerungenBild: wfilm

Der Regisseur und Autor hat einen sehr persönlichen Film gedreht, der auch durch die großartigen Landschaftsbilder des deutschen Kameramanns Sebastian Edschmid überzeugt, die ebenso die Weite und Sehnsucht symbolisieren wie die Enge im Kibbuz. Der Film ist auch mit deutschen Geldern entstanden und Dror Shaul ist froh, dass er nun nach dem Erfolg auf der Berlinale im Vorjahr auch regulär in die deutschen Kinos kommt." Als ich noch sehr jung war, hörte ich meine Mutter sagen, dass eines Tages die ganze Welt diese Geschichte hören würde. Damals hörte sich das nur pathetisch und traurig an", erinnert sich Shaul. "Einige Jahre später reise ich nun mit diesem Film um die Welt - und nun können die deutschen Zuschauer diese Geschichte sehen."

"Sweet Mud" ist ein sehr berührender, melancholischer Film mit vielen komischen Momenten, der sich sensibel mit dem Thema des Erwachsenwerdens auseinandersetzt. So beweist das junge, israelische Kino nach Filmen wie "Die Band von Nebenan" oder "Die syrische Braut" einmal mehr seine große Vielfalt und humanitäre Kraft.