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Kinder an die Macht

Jens Thurau 3. Januar 2003

Kinder sind von gesellschaftlichen Missständen mit am stärksten betroffen. Die UNICEF mahnt – und fordert eine stärkere Beteiligung von Kindern an politischen Entscheidungen.

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Straßenkinder in ThailandBild: AP

Kinder sind am stärksten von der weltweiten Armut betroffen, sie sind die Hauptopfer der negativen Folgen der Globalisierung. Sie werden als Arbeitskräfte missbraucht, zur Prostitution gezwungen und als Soldaten eingesetzt, sie sind in weiten Teilen schlicht ohne Rechte. Darauf wies das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) bei der Vorstellung des Jahresberichts 2003 in Berlin hin. Die UNICEF-Hauptforderung in diesem Jahr lautet: Kinder müssen gehört und an Entscheidungen beteiligt werden, wenn sich ihre Lage ändern soll.

Die UNICEF betont den nicht nur symbolischen Effekt einer solchen Beteiligung. Sie kann sogar zu schnellen Erfolgen führen. In Nigeria etwa gingen Schulkinder - von UNICEF unterstützt - von Haus zu Haus und überzeugten die Eltern davon, ihre Babys impfen zu lassen – und hatten damit mehr Erfolg als zahlreiche Regierungskampagnen zuvor.

Ein Viertel in absoluter Armut

UNICEF hat im letzten Jahr 40.000 Kinder in 72 Ländern befragt. Demnach wächst jedes vierte Kind in absoluter Armut auf. Das Leben der Kinder ist bestimmt durch mangelnde Schulbildung, Krankheit und Ausbeutung. Nur vier von zehn Kindern halten Wahlen für geeinigt, um die Situation in ihren Ländern zu verbessern.

Kinderparlamente und Kinderforen oder Veranstaltungen wie der Kindergipfel von New York vom Mai 2002 können dazu beitragen, den jungen Menschen Gehör zu verschaffen. Unter den 400 Kindern aus 150 Ländern, die nach New York kamen, war auch Marian Brehmer: "Ich war schon mal als kleines Kind in Indien und habe dort das Leid der Kinder mit eigenen Augen gesehen", sagte der Elfjährige. "Wenn man aus einem reichen Land wie Deutschland kommt und solche armen Kinder sieht, dann war das schon ein großer Schock, all die Kinder in den Slumhütten zu sehen."

Familien unter der Armutsgrenze

Aber auch Deutschland ist alles andere als ein Kinderparadies: "In Deutschland leben über eine Million Kinder von Sozialhilfe und ergänzenden Leistungen", betont der Präsident des deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger. An oder unter der Armutsgrenze leben vor allem Familien mit mehreren Kindern. "Das macht deutlich, dass für die besonders bedürftigen Familien stärkere Hilfen bereitgestellt werden müssen." Ein Drittel der Jugendlichen greife zu Medikamenten, ein Viertel leide unter Allergien. Weit verbreitet sind auch eigentliche Erwachsenen-Krankheiten wie Ess- und Schlafstörungen. Denn die Kinder werden immer früher mit der rauen Wirklichkeit konfrontiert.

Die Kindheit endet in Deutschland nach Expertenangaben heute schon mit etwa 10 Jahren. Krüger forderte, einen vom Parlament gewählten Kinderbeauftragten einzuführen. Kinder und ihre Wünsche müssten endlich ernst genommen werden.

Keine Pflicht, sondern Freude

Der Schauspieler Sir Peter Ustinov engagiert sich seit langem für UNICEF. Nach seiner Ansicht haben die Regierungen die Kindererziehung lange vernachlässigt, jetzt ändern sie - aufgeschreckt etwa durch die PISA-Studie - ihre Ansicht und machen doch wieder die gleichen Fehler: "Ich glaube, dass die Regierungen jetzt die Tendenz haben, mehr von Erziehung zu sprechen, aber als ob es eine Pflicht wäre", sagte Ustinov. "Ich finde, es sollte keine Pflicht sein, sondern eine Freude."