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Kevin, maßlos unterschätzt

Stefan Nestler14. Februar 2009

Kevin Kuranyi galt als Fußball-Auslaufmodell: Aus der Nationalelf verbannt, bei Schalke auf dem Abstellgleis. Doch plötzlich ist er wieder da. Und alle Welt fragt sich, wie er das bloß geschafft hat.

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Kevin Kuranyi zieht sich das Nationaltrikot hoch. Quelle: ap
Der Mann gehört ins TrikotBild: AP

Wir haben Kevin unterschätzt. Jenen Kuranyi, von dem wir dachten: Er unterschreibt mit Haargel. Er rasiert sich seinen Kinnbart deshalb in drei Linien, damit er sich die Positionen im Sturm merken kann. Er übersetzt Stadion mit Playstation. Er kann einen Satz geradeaus sprechen, wenn er aus maximal vier Wörtern besteht. Und er trifft das Tor nur, wenn er von einem Gegenspieler mitsamt Ball hineingestoßen wird.

Kuranyi-Ente

Die Norweger Tom Högli und Björn Helge Riise feiern den 1:0 Sieg ihrer Mannschaft im Länderspiel in Düsseldorf gegen Deutschland. Quelle: dpa
Konzentration dahinBild: picture-alliance/ dpa

Mittwochabend, während des Gurken-Länderspiels gegen Norwegen: Auf der Homepage der Schalker erscheint die Eilmeldung, der Club habe Kuranyi entlassen. Helle Aufregung, Dementi, Interview-Anfragen. Plötzlich gerät das Länderspiel zur Nebensache. Böse Computer-Hacker werden für die Panne verantwortlich gemacht. Dabei ist doch völlig klar: Kevin selbst hat die Kuranyi-Ente wassern lassen. Indiz 1: Die Meldung wimmelte nur so von Rechtschreibfehlern und stilistischen Sünden. Indiz 2: Kuranyi behauptete, er sei nicht für Interviews erreichbar gewesen, weil er sein Handy auf lautlos gestellt habe. Völlig abwegig: Das Handy eines Fußballprofis ist erst stumm, wenn der Kicker ins Gras gebissen hat. Indiz 3: Kevin sagte, das ganze sei ein "Fake" gewesen. Dieses Four-Letter-Word gehörte im Gegensatz zu anderen bisher nicht zu Kuranyis Wortschatz.

King Blue

Kuranyi mit nachdenklichem Blick bei einer Pressekonferenz. Quelle: ap
Von wegen ratlosBild: AP

Was also ist wirklich geschehen? Nachdem Kevin in der Nationalelf und auch bei den Schalkern aufs Abstellgleis geraten ist, sucht er im Internet in einem Hacker-Forum Hilfe. Die findet er schließlich bei einem Computer-Freak namens King Blue. Der Königsblaue weiht Kuranyi in das Geheimnis eines "Fake" ein, einer vorgetäuschten Wahrheit. Kevin lernt nicht nur, welchen Nutzen er daraus ziehen, sondern auch, wie er die Homepage der Schalker knacken kann. Der Plan geht auf. Alle reden über Kuranyi. Auch unter den Nationalspielern, die gegen Norwegen kicken, spricht sich die Eilmeldung wie ein Lauffeuer herum. Die Konzentration ist dahin, Norwegen gewinnt.

Wunder von Bochum

Kuranyi im Spiel der Schalker in Bochum. Quelle: ap
Lass´ mal den Kevin machenBild: AP

Jetzt meldet sich Kevin bei zwei Bochumer Abwehrspielern und verspricht ihnen eine neue Playstation und zehn Tuben Haargel. Daraufhin lassen die beiden Kuranyi sein erstes Tor im Jahr 2009 schießen. Schalke verliert, aber selbst Bundestrainer Löw denkt: "Sieh an, der Kevin. Vielleicht sollte ich ihm doch verzeihen. Ballack, Frings, Kuranyi, ich werde als großherzigster Bundestrainer aller Zeiten in die Geschichte eingehen." Und so feiert Kevin sein Comeback als Nationalspieler, in der Playstation, lässt sich vom Gegenspieler samt Ball ins Tor schubsen und unterschreibt anschließend die Autogrammkarten mit Haargel. Wir haben Kevin unterschätzt.