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Schießbefehl für Polizei

30. Januar 2008

Die kenianische Polizei hat Befehl, auf Plünderer und Brandstifter zu schießen. Während sich Kofi Annan weiter versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, schickt die UN einen Völkermord-Ermittler.

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Polizist in Nairobi, Quelle: AP
Polizist in NairobiBild: AP
Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht vor der Gewalt, Quelle: AP
Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht vor der GewaltBild: AP

Nach Wochen der Gewalt und des Chaos in Kenia haben die Behörden Schießbefehl gegen Plünderer und Brandstifter erhalten. Gegen vier Gruppen werde die Polizei mit aller Härte vorgehen, sagte ein Polizeikommandeur, der nicht genannt werden wollte, am Dienstag (29.01.2008) der Nachrichtenagentur AFP: "Die, die Eigentum plündern, Häuser niederbrennen, Angriffswaffen tragen oder die Straßensperren errichten." Die Polizei habe Anweisung, diese vier Kategorien von Menschen zu töten, sollte sie diese auf frischer Tat ertappen.

Warnung an die Polizei

Unterdessen will der UN-Sonderberater zur Verhinderung von Völkermord und Massenverbrechen Francis Deng einen Ermittler nach Kenia entsenden, um die ethnische Gewalt der vergangenen Wochen zu untersuchen. Die kenianische Zeitung "Daily Nation" berichtete am Mittwoch (30.01.2008), Deng habe die Führer der verfeindeten politischen Lager darauf hingewiesen, dass sie für Gewalttaten bestraft werden können, die sie initiiert hätten. Auch die Polizei könne zur Rechenschaft für Gewalttaten gezogen werden.

Kibaki, Annan und Odinga halten eine Schweigeminute für die Opfer, Quelle: AP
Kibaki, Annan und Odinga halten eine Schweigeminute für die OpferBild: AP

Die Behörden hätten den Tötungsbefehl am Dienstag kurz nach Beginn der Beratungen zwischen Präsident Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga gegeben, sagte der Polizeivertreter. Das Treffen fand erneut unter Vermittlung des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan in der kenianischen Hauptstadt statt. Auch die Armee war am Dienstag erstmals in die Kämpfe zwischen rivalisierenden Volksgruppen eingeschritten. So gaben Armeehubschrauber in Naivasha Schüsse auf Demonstranten ab. Laut Polizei sollte eine "unkontrollierbare Menschenmenge" auseinander getrieben werden.

Chaos und Gewalt

In Naivasha waren nach der Ermordung eines Abgeordneten des Orange Democratic Movement (ODM) aufgebrachte Anhänger der Oppositionspartei auf die Straße gegangen. Eine Versammlung von Trauernden wurde am Dienstag von der Polizei mit Tränengas auseinandergetrieben.

Mitglieder des Luo-Stammes, der Odinga unterstützt, in Kisumu, Quelle: AP
Mitglieder des Luo-Stammes, der Odinga unterstützt, in KisumuBild: AP

Am Dienstag hatte die möglicherweise entscheidende Vermittlungsrunde begonnen. Zum Auftakt eines Dialogs zwischen den Konfliktparteien sagte Annan, die Unruhen könnten innerhalb von vier Wochen eingedämmt werden. Für die Lösung der längerfristigen Probleme rechne er aber mit einem Zeitraum von bis zu einem Jahr. Die Gespräche sollen ab Mittwoch von jeweils drei Verhandlungsführern geleitet werden. An den Vermittlungen ist auch die Ehefrau von Nelson Mandela, Graca Machel, beteiligt.

Beide Kontrahenten riefen zu nationaler Versöhnung auf und verurteilten die ethnische Gewalt. Odinga betonte am Dienstag: "Ich will Präsident aller Kenianer werden. Ihr Tod und ihr Leiden erschrecken mich." Kibaki sagte, er begrüße, dass bei den Vermittlungen nicht nur Sofortmaßnahmen erörtert, sondern auch die tiefer liegenden Ursachen ergründet werden.

"Bereit für Gespräche"

In einer vom Fernsehen übertragenen Rede warnte Annan vor den schweren Konsequenzen, die die wochenlangen Gewaltexzesse für das Land habe. Felder lägen brach, der soziale Zusammenhalt sei gefährdet. "Die Parteien sind bereit für die Gespräche", sagte Annan, der die Dringlichkeit einer friedlichen Lösung betonte. An die Kontrahenten gewandt mahnte er: "Die Menschen brauchen Sie, sie wollen, dass Sie (...) Ihr Möglichstes tun, um die Talfahrt ins Chaos aufzuhalten. In diesem schönen und reichen Land droht Anarchie."

Seit den Präsidentenwahlen im vergangenen Dezember ist es in Kenia zu blutigen Unruhen mit mehr als 800 Toten gekommen. Nach UN-Schätzungen flohen etwa 250.000 Menschen vor der Gewalt und den brutalen Stammesfehden. An den Auseinandersetzungen sind vor allem Angehörige vom Stamm der Kikuyu, zu dem Kibaki gehört, sowie Volksgruppen beteiligt, die Odinga unterstützen. Allein in den vergangenen Tagen wurden fast 100 Menschen mit Macheten zu Tode gehackt.

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) berichtete über zunehmende Vergewaltigungen in den Flüchtlingslagern. Die Hilfsorganisation Caritas International rief am Dienstag dringend zu Spenden auf. Benötigt würden mindestens 1,8 Millionen Euro, um die Flüchtlinge in den kommenden drei Monaten mit Wasser, Medikamenten und Lebensmitteln zu versorgen. (stu)