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Keine Wechselstimmung in Rheinland-Pfalz

26. März 2011

In Rheinland-Pfalz ist an diesem Sonntag kein Regierungswechsel zu erwarten. Dennoch gibt es einiges, was dieser Landtagswahl ihren Reiz verleiht - vor allem das Duell alter Platzhirsch gegen junge Herausforderin.

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Kurt Beck lächelnd neben einem geschminkte Fan des 1. FC Kaiserslautern (Foto: dpa)
Ob im Stadion oder auf dem Marktplatz, Kurt Beck ist gern "unter de Leut"Bild: picture alliance/dpa

Sanfte Berge und Hügel prägen das Land an Rhein und Mosel, viel Wald, viel Wein und bodenständige, leutselige Menschen. Menschen wie Kurt Beck, der sich an einem Vormittag kurz vor der Wahl auf dem Mainzer Marktplatz mit Fleischwurst und Weck, also einem Brötchen, stärkt. "Für Wein ist es noch ein bisschen früh", scherzt er in Anspielung auf den Mainzer Dreiklang des Wohlbefindens, auf "Weck, Worscht und Woi".

Seit 17 Jahren regiert Kurt Beck schon in der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz, und alle Umfragen sprechen dafür, dass ihm die Wähler noch eine Verlängerung gönnen. Allerdings wohl nicht mehr eine sozialdemokratische Alleinherrschaft wie die letzten fünf Jahre. 2006 hatten der SPD 45,6 Prozent der Wählerstimmen für eine satte Mehrheit im Landtag gereicht, weil die Grünen knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert waren und kleinere Parteien weitere neun Prozent der Stimmen eingesammelt hatten, die nicht zu Parlamentssitzen führten.

Thema Kernkraft gibt den Grünen Aufwind

Das ist jetzt anders. Nach dem Atomunfall in Japan verspüren die Grünen mächtigen Zulauf, liegen in den letzten Umfragen bei noch nie dagewesenen 13 bis 14 Prozent. Ohne sie wird Kurt Beck nicht weiterregieren können. Aber das muss ihn nicht schrecken, denn die Grünen haben sich auf die SPD als Wunschpartner festgelegt. Und zusammen dürfte es auf jeden Fall reichen, egal ob die FDP und die Linken, die in Umfragen bei fünf beziehungsweise vier Prozent dümpeln, den Sprung in den Landtag schaffen oder nicht.

Julia Klöckner blickt nach vorn, seitlich neben ihr Angela Merkel (Foto: DeFodi.de)
CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner kann auf die Unterstützung von Bundeskanzlerin Merkel zählen. Ob's hilft?Bild: picture-alliance/DeFodi

Dass Becks Sozialdemokraten anders als 2006 keine absolute Mehrheit erreichen dürften, hat noch einen weiteren Grund. Damals war für die Christdemokraten der hochgewachsene, spröde Intellektuelle Christoph Böhr gegen den stämmigen, volkstümlichen Kurt Beck angetreten. Seine jetzige Gegenkandidatin hatte schon mit 23 Jahren die für Rheinland-Pfalz vielleicht höchste Form der Volksverbundenheit erreicht: Sie war Weinkönigin. Danach machte Julia Klöckner schnell Karriere in der Politik, wurde schließlich Parlamentarische Staatssekretärin im Verbraucherschutzministerium in Berlin. Ihre Bodenhaftung hat sie indes immer behalten. Vor wenigen Wochen hat die 38-Jährige ihr Regierungsamt abgegeben, um das Versprechen zu untermauern, auf jeden Fall nach Mainz zu gehen - auch als Oppositionsführerin.

CDU könnte mit SPD gleichziehen - mehr wohl nicht

Wahrscheinlich wird es so kommen, dass den 20 Oppositionsjahren der CDU weitere fünf hinzugefügt werden. Immerhin aber sehen die letzten Umfragen die CDU bei bis zu 36 Prozent, gleichauf oder fast gleichauf mit der SPD. Schon das wäre für Julia Klöckner ein riesiger Erfolg, denn beim letzten Mal hatte die CDU noch 13 Prozentpunkte hinten gelegen. Nicht nur die eigene Ausstrahlung hat Klöckner dazu verholfen, sondern auch einige Skandale der Regierung Beck. Der Popularität des Amtsinhabers setzt sie das Argument entgegen, dass die lange SPD-Herrschaft zu einer "Parteiverfilzung, die das Land lähmt" geführt habe. Deshalb täte "frischer Wind diesem Land gut".

Beck und Klöckner stehen nebeneinander im Studio, lächeln sich an (Foto: dpa)
Hart, aber fair: Im TV-Duell stritten Beck und Klöckner über die Atom-Wende der BundesregierungBild: picture alliance/dpa

Eine Wechselstimmung aber können die Demoskopen nicht ausmachen. Und in der Endphase des Wahlkampfs machte die nukleare Katastrophe in Japan Julia Klöckner zusätzlich zu schaffen. Regierungschef Beck hat das Thema sofort besetzt, auch wenn in Rheinland-Pfalz kein Atomkraftwerk am Netz ist. Er warnt vor den Gefahren, die von den Reaktoren in den Nachbarländern Hessen und Baden-Württemberg ausgehen könnten. Im Fernsehduell mit Julia Klöckner warf Beck der CDU vor, sie habe "bis vor wenigen Tagen vehement für Kernkraft gekämpft. Dass sie jetzt eine Kehrtwende macht, ist sicher vor allem den Wahlen geschuldet." Klöckner verteidigte in dem Duell sich und ihre Partei mit dem Argument, Japan sei eine Zeitenwende. "Das heißt, wir müssen auch Altes über Bord werfen und Neues denken."

Die Meisten wollen Beck behalten

Ob die Atomdebatte der SPD noch nützt, wird sich erst in der Wahlnacht zeigen. Den Grünen nützt sie auf jeden Fall, weshalb man fast sicher von einer rot-grünen Koalition als Ergebnis der Landtagswahl ausgehen kann. Den Rheinland-Pfälzern dürfte das überwiegend recht sein. Denn im direkten Vergleich mit Klöckner spricht sich zwar eine deutliche Mehrheit für den Verbleib Becks im Amt aus, doch ein grünes Korrektiv halten viele auch nicht für verkehrt. Julia Klöckner aber ist jung genug, auf ihre nächste Chance in fünf Jahren zu warten. Dann wird der jetzt 62-jährige Kurt Beck wohl nicht wieder antreten.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Kay-Alexander Scholz