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Soldatengeschichten

Das Interview führte Ranty Islam10. April 2007

Sollen Soldaten ihre Erlebnisse an die Presse verkaufen dürfen? Nein, sagt der Kommunikationsforscher Cees Hamelink. Es beschädigt die Glaubwürdigkeit der Streitkräfte und unterminiert die Rolle der Medien.

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Britischen Soldaten vor großer britischer Wandflagge (Quelle: AP)
Freude bei den freigelassenen britischen Soldaten. Die Medien feiern mit - und bezahlenBild: AP

DW-WORLD: Mehrere der vom Iran zunächst inhaftierten und schließlich freigelassenen britischen Soldaten haben ihre Erlebnisberichte an verschiedene Medien verkauft. Auch wenn die anfängliche Erlaubnis dafür nun vom britischen Verteidigungsminister widerrufen wurde - sollen Angehörige der Streitkräfte ihre Erfahrungen zu Geld machen dürfen?

Cees Hamelink: Natürlich sollten sie mit den Medien sprechen, ihre Geschichten erzählen und ihre Meinung kundtun dürfen - aber nicht gegen Bezahlung. Verfassungsrecht und die internationalen Menschenrechte sichern jeder Person diese Rechte auf freie Äußerung zu, und dies ändert sich nicht, wenn sie Mitglied der Streitkräfte werden. Das Problem ist also nicht, dass sie ihre Geschichten teilen, sondern dass sie dafür Geld nehmen.

Welchen Eindruck hinterlässt dies in der Öffentlichkeit und anderen Teilen der Armee?

Ich glaube nicht, dass es ihrer Glaubwürdigkeit hilft. Das Problem ist natürlich, dass, wann immer Geld im Spiel ist und Information eine Ware wird, dies die Gefahr heraufbeschwört, dass Geschichten - sagen wir - etwas lebhafter geschildert werden, um sie besser zu verkaufen. Andererseits denke ich, dass aus diesem Grund die Menschen bei solchen Geschichten gleich etwas skeptischer sind. Natürlich wollen sie sie lesen, aber die Öffentlichkeit würde mit Sicherheit verstärkte Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Geschichten haben.

Die Personen, um die es hier geht, sind Soldaten. Macht dies die Angelegenheit in irgendeiner Weise schlimmer?

Ja, aber das wäre in jedem Fall so, wenn Personen in öffentlichen oder offiziellen Positionen involviert wären. An Stelle des Oberkommandierenden würde ich den betroffenen Soldaten wahrscheinlich auch erlauben, über ihre Erfahrungen zu berichten - soweit keine Staatsgeheimnisse gefährdet wären - aber ich würde nicht wollen, dass die Soldaten als Nachrichtenhändler gesehen werden, die gute Geschichten verhökern. Dies unterminiert ihre Glaubwürdigkeit, den Respekt und den guten Ruf der Streitkräfte - wenn sie denn einen haben.

Was hat die Soldaten dazu getrieben, ihre Geschichte zu verkaufen - und was sind die möglichen Motive der Regierung, die dies zunächst zugelassen hatte?

Die Regierung fürchtete möglicherweise, dass sie andernfalls der Zensur beschuldigt werden könnte. Und keine Regierung will sich dem Vorwurf aussetzen, die freie Meinungsäußerung und die freie Arbeit der Presse einzuschränken. Doch in der Hast, dies zu verhindern, bedachte die britische Regierung offenbar nicht, welche Probleme sich ergeben, wenn die Beteiligten ihre Geschichte zu Geld machen. Das Motiv der beteiligten Personen ist trivial - sie wollten ein bisschen Geld machen. Und die Medien, unter dem Druck der Konkurrenz, nutzen diese Quellen natürlich bereitwillig.

Einige Beobachter sagen, die britische Regierung habe die anfängliche Erlaubnis zum Verkauf der Geschichten bewusst gegeben - um das öffentliche Interesse daran als Teil ihrer "Propaganda" gegen die iranische Regierung einzusetzen. Wie denken Sie darüber?

Natürlich war es im Interesse der britischen Regierung, dass die Soldaten öffentlich machten, dass sie den Iranern zuvor nur Lügen aufgetischt hatten, dass sie nicht in iranischen Gewässern waren, dass die Inhaftierung unrechtens war und so weiter. Das kann man als Teil der Regierungsstrategie sehen, es den Iranern gewissermaßen heimzuzahlen. Ich glaube allerdings nicht, dass ihre Herangehensweise besonders weise oder clever war. Wenn sie eine glaubhafte Geschichte haben wollte, um die sich womöglich die Spindoctors noch gekümmert hätten, dann hätte die Regierung nicht erlauben dürfen, dass die Leute dafür Geld nehmen, weil es die Glaubwürdigkeit der Geschichte in den Augen der Öffentlichkeit in Frage stellt. Denn die fragt sich: eine schöne Geschichte, aber - weil viel Geld dafür geflossen ist - ist sie denn auch war?

Wir leben in einer Zeit, in der die Medien zu einem festen Bestandteil internationaler Konflikte geworden sind. Glauben Sie, dass es notwendig ist, die Rolle, die Medien und Streitkräfte spielen, noch genauer zu definieren?

Die beiden haben total verschiedene soziale und politische Rollen zu spielen. Die Gefahr ist, dass es zunehmend schwierig wird, zu unterscheiden, wo die Interessen des Militärs aufhören und die der Medien anfangen. Dies sollte so weit wie möglich getrennt werden. Es ist klar, dass die Streitkräfte, das Verteidigungsministerium und die Regierung bestimmte Geschichten herüberbringen wollen - und dafür auch hochbezahlte Spindoctors einsetzen. Aber die Medien sollten nicht in diese Falle treten. Die Medien sollten unabhängig, professionell und erfahren genug sein, um uns - die Öffentlichkeit - davor zu warnen. Im Falle des Irakkrieges, in Afghanistan und vorher, im ersten Golfkrieg und dem Nato-Einsatz im Kosovo - in allen diesen Fällen haben sich die Medien zu leichtfertig mit Geschichten füttern lassen, die ihnen die PR-Profis der Streitkräfte und der Verteidigungsministerien vorgesetzt haben. Diese haben ihre eigene Rolle zu spielen und dazu gehört vielleicht auch, Propaganda zu machen und andere irrezuführen - das ist Teil des politischen Spiels. Aber die Medien sollten zwischen uns und diesen 'Wahrnehmungs-Managern' stehen und uns helfen zu verstehen, dass es sich um Lügen handelt. Andernfalls werden die Medien ein Teil dieser Maschinerie - nicht indem sie selbst lügen, sondern indem sie sich zu Komplizen dieser Irreführung machen - und Irreführung ist unausweichlich ein Teil der Kriegsführung. Dagegen müssen wir gewarnt werden - und mit Sicherheit als Bürger in einer Demokratie.

Cees Hamelink ist Professor für internationale Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Er ist ehemaliger Präsident der Internationalen Gesellschaft für Massenkommunikationsforschung und Chefredakteur des International Journal of Communication Studies.