1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Keine Rede von Machtwechsel"

30. September 2010

Jetzt ist es amtlich: Kim Jong Un soll seinem Vater, dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Il, im Amt beerben. Die Fortsetzung der Kim-Dynastie ist auch Thema auf den Kommentarseiten der deutschen Tageszeitungen.

https://p.dw.com/p/PQPz
Titelseiten deutscher Tageszeitungen (Foto: dpa)
Bild: dpa

Berliner Zeitung:

"Kim Jong Un übernimmt ein Regime mit wenig Handlungsspielraum und schwindender Autorität. Terror gegen das eigene Volk und Provokationen gegenüber dem Ausland sind die einzigen Stützen des maroden Systems. Der junge Kim wird seine Position nur sichern können, wenn genügend Devisen aus dem Ausland fließen - schwierig angesichts verschärfter Sanktionen. Ob er Reformideen hegt, wird die Welt erst nach dem Tod des Vaters erfahren. Er könnte sich auf manches stützen: den Rohstoffreichtum des Landes, die günstige Lage zwischen China, Russland und Südkorea und die hilfsbereite Weltgemeinschaft - wenn Nordkorea auf seine Atomwaffen verzichtet."

die tageszeitung, Berlin:

"Von einem Machtwechsel in Nordkorea kann keine Rede sein. Nach 62-jähriger Herrschaft hält die Kim-Familie die Zügel in Pjöngjang offenbar fest in der Hand. Der 68-jährige Genosse General Kim Jong Il mag krank sein, aber er hat etwas geschafft, was ihm viele noch vor kurzem nicht zugetraut hätten: Er hat sich eine Parteiversammlung organisiert, die seiner Herrschaft den Anschein von Legitimität und Ordnung geben sollte. Deren Botschaft lautet: Kims Schwester, sein Schwager und sein Sohn werden das Land zusammen mit ihren Leuten im Militär und in der Partei weiterführen, auch wenn er es irgendwann selbst nicht mehr kann. Chinas Regierung beglückwünscht Kim wärmstens zu dieser "Leistung". Nichts fürchtet Peking mehr als einen Machtkampf zwischen verschiedenen Militär-Gruppen und einen gewaltsamen Zusammenbruch des Nachbarlands, dessen Generäle die Welt mit ihren Atomwaffen erpressen können - und das in den vergangenen Jahren auch getan haben. Pekings Führung setzt weiterhin auf Geduld und allmähliche Reformen. Sie hat schon erreicht, dass der Nachbar wirtschaftlich und politisch so abhängig von China ist wie lange nicht. Eine Vereinigung von Nord- und Südkorea scheint in weite Ferne gerückt."

Süddeutsche Zeitung, München:

"Die Welt wüsste gern ein wenig mehr über diesen Mann, der ja nun bald eine riesige Armee befehligen könnte, die Atomwaffen besitzt und ihre Artilleriegeschütze auf Seoul gerichtet hat. Doch alle weiteren Geschichten, die über Kim Jong Un kursieren, sind leider nicht verbrieft. Er soll in der Schweiz zur Schule gegangen sein, manchen Berichten zufolge auf die International School of Bern. Japanische Reporter wollen noch herausgefunden haben, dass der Zögling auch eine öffentliche Schule in Steinhölzli besucht habe. "Ein Dikator mit Herz für die Schweiz" frohlockte schon das Schweizer Boulevard-Blatt Blick. Es wäre ja schön, wenn das stimmte, denn dann dürften sich die 24 Millionen Nordkoreaner auf einen Führer freuen, der dem Westen aufgeschlossener gegenüber steht als sein Großvater und Vater, die sich eher einen Namen als Diktatoren alten Stils gemacht haben. Doch leider waren die jungen Nordkoreaner unter falschem Namen an diesen Schweizer Eliteschulen angemeldet, so dass selbst die nun überall auftauchenden "Augenzeugenberichte" von damaligen Mitschülern mit Vorsicht zu genießen sind. Vielleicht also war es Kim Jong Un, der Basketball liebte, für Michael Jordan schwärmte und gern Ski fuhr, gut in Mathe war und abends immer brav nach Hause ging, um mit dem nordkoreanischen Botschafter zu Abend zu essen, als dessen Sohn er unter dem Namen "Chol Pak" angemeldet war. Vielleicht war er es aber auch nicht. Es könnte sein Bruder Kim Jong Chol gewesen sein, der ebenfalls in der Schweiz zur Schule ging, oder ein ganz anderer Nordkoreaner. Dem Regime in Pjöngjang darf zugetraut werden, mehr als einen reichen Apparatschik mit Millionen auf Schweizer Konten produziert zu haben."

Zusammengestellt von: Esther Broders
Redaktion: Miriam Klaussner