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Keine heiklen Fragen, bitte

Andreas Tzortzis, Athen

Dem Pessimismus der Griechen vor den Spielen ist Optimismus und Nationalstolz gewichen. Man sollte gar nicht erst an Kritik denken - vor allem nicht, wenn man Grieche ist.

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Wenn hinter Griechen Griechen gehen, gehen Griechen Griechen nachBild: dpa

Das Abchecken beginnt schon lange vor der Sicherheitskontrolle: Die griechischen Wachen und Helfer schauen auf meine dunklen Haare und helle Haut und dann auf den unverwechselbar griechischen Namen auf meinem Presseausweis: Tzortzis.

"Ah! Ellenika", heißt es dann, bevor eine wahre Wortwoge auf mich hereinbricht. "Entschuldigung", sage ich dann, "ich spreche kein Griechisch". Ich sage dies auf Griechisch - das Einzige, was ich außer einigen höchst schmutzigen Fußball-Schlachtrufen gelernt habe, seit ich in das Land meines Vaters gekommen bin, um über die Olympischen Spiele zu berichten.

"Aber Sie sind doch Grieche?", heißt es dann. Zur Hälfte, ja. Meine Mutter ist Schweizerin, und ich bin in Kalifornien aufgewachsen. "Aber sie müssen Griechisch lernen", heißt es dann. "Sie sind schließlich Grieche."

Eine gewisse Verantwortung

Ja, ich lerne hier in Athen. Nicht Griechisch, aber Griechisch-Sein. Dass ich durch meinen Namen eine gewisse Verantwortung habe. Dass dieser Name eine Bedeutung hat. Dass man von mir erwartet, dreistündige Mahlzeiten nach 23 Uhr zu mir zu nehmen, gekrönt von einem riesigen Glas milchigem Ouzo - und dass ich als "griechischer" Vertreter der internationalen Presse Verantwortung übertragen bekomme, dem Rest der Welt ein möglichst glänzendes Bild von Griechenland zu vermitteln.

"Schreib gute Dinge über Griechenland, hörst du?", sagt Eleni, die Cousine meines Vaters. Sie sagt es auf Griechisch, aber ich verstehe genug. Es ist ohnehin das, was mir jeder Grieche am Ende jedes Gespräches sagt.

Softball - ausverkauft

Verunsichert von Tausenden Artikeln im Vorfeld über die scheinbare Unfähigkeit, die Spiele auszurichten, waren die Griechen bis zur Eröffnung der Spiele in einer merkwürdigen Stimmung. Nun hat sich ein leidenschaftlicher, nicht zu unterdrückender Stolz auf die Spiele durchgesetzt. Es wird zwar viel geschrieben über das mangelnde Zuschauerinteresse, viel lieber wird aber über die ausverkauften Arenen berichtet - wenn dort griechische Sportler beteiligt sind.

Wie etwa beim Basketball, beim Wasserball der Frauen, ja sogar Softball mit einem Team von amerikanischen Frauen mit griechischen Vorfahren, zog eine Fahnen schwenkende Menschenmenge an. Die Fernseh-Kommentatoren verbreiten optimistisch Hoffnung, mehr Medaillen als in Sydney vor vier Jahren zu erringen, Zeitungen kontern die deprimierenden Nachrichten von gedopten Athleten, in dem unerwartete Erfolge wie etwa im Synchron-Springen und beim Judo begeistert gefeiert werden.

Der überbordende Stolz zeigt auch manchmal seine hässliche Seite. Als ein Ringrichter einen Boxkampf von Elias Pavlidis wegen einer Platzwunde des Griechen abbrach, warfen die Zuschauer Gegenstände in den Ring und beschimpften die Ringrichter wild. US-Athleten müssen sich an ein enormes Pfeifkonzert gewöhnen, wenn der Name ihres Landes durch die Lautsprecher angesagt wird.

Es macht Spaß, ja doch ...

Aber im Großen und Ganzen feiert Athen eine schöne, sehr erfolgreiche zweiwöchige Party - und es ist wirklich leicht, die geforderten "guten Dinge" zu schreiben. Doch der unvermeidliche Kater wird für die Griechen kommen: Nach den Spielen, wenn die heiklen Fragen gestellt werden. Etwa, was tun mit den Multi-Millionen-Euro Veranstaltungsorten, die in Griechenland kaum sinnvoll weiter zu nutzen sind? Waren die Spiele wirklich die stolzen sieben Milliarden Euro wert? Wie umgehen mit dem erwarteten Ansteigen der Arbeitslosenzahl?

Diese Fragen sollte man im Moment aber besser nicht stellen - schon gar nicht als Halb-Grieche. Der olympische Friede verlangt es diesmal, die Spiele selbst frei von Kritik zu halten. Zuvor gab es davon schon reichlich. Und danach wird noch sehr viel kommen.