1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Keine Gewinner

Carsten Kühntopp17. Dezember 2001

Palästinenserführer Jassir Arafat ist jetzt endlich da, wo Ariel Scharon ihn schon immer hin haben wollte - am Ende. Scharon sollte sich nicht zu früh darüber freuen. Ein Kommentar von Carsten Kühntopp.

https://p.dw.com/p/1Uuw

Was Scharon damals, Anfang der achtziger Jahre, im Libanon nicht schaffte, ging nun plötzlich sehr schnell. Man provozierte eine Reihe fürchterlicher Terroranschläge, machte es Arafat unmöglich, wirksam gegen die Terroristen vorzugehen und erklärte ihn schließlich für nicht mehr relevant.

Schon immer hielt Scharon Arafat für einen "Lügner" und "Mörder". Und er lehnte nicht nur den Friedensvertrag mit Ägypten und Jordanien, sondern auch den mit den Palästinensern ab. Seine Wahl zum Regierungschef im Frühjahr gab ihm dann die Möglichkeit, eine Politik zu betreiben, die nun zum erwünschten Resultat zu führen scheint: Arafat sitzt isoliert in Ramallah und irgendwann wird die Geschichte über ihn hinweg gegangen sein.

Es war wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Mit der Parole "Keine Verhandlungen unter Feuer" verhinderte Scharon jedes glimpfliche Ende der Intifada, drückte die Moderaten auf beiden Seiten in die Bedeutungslosigkeit und trieb den palästinensischen Extremisten immer mehr Anhänger in die Arme.

Sicherlich ist es nicht an Israel zu entscheiden, wer das palästinensische Volk anführt. Aber die Sache hat nun eine gewisse Eigendynamik bekommen. In der Umgebung des Palästinenserführer gibt man die Parole aus: Durchhalten, irgendwann wird sich der Wind wieder drehen. Doch die Israelis sind mehrheitlich zu der Ansicht gelangt, dass mit Arafat kein Staat zu machen ist - auch kein Palästinenserstaat - und Frieden ebenfalls nicht. Es ist deswegen kaum vorstellbar, dass Scharon jemals seine Meinung über Arafat ändern wird.

Und was nun? Niemand weiß, was nach Arafat kommt. Die Planspiele, die man in der israelischen Regierung macht, sind rührend naiv. So setzt man darauf, dass sich eine neue palästinensische Führungsschicht etablieren wird, die pragmatischer und gemäßigter sein wird, oder besser, die gefügiger sein soll. Stattdessen dürfte ein Machtkampf zwischen den verschiedenen politischen Gruppierungen ausbrechen, ein Machtkampf, der sich zu einem Bürgerkrieg ausweiten könnte, in dem die einzelnen Milizen durch immer noch blutigere Anschläge gegen die Israelis unter Beweis stellen wollen würden, wer die palästinensische Nationalbewegung am kraftvollsten führen kann. Es wäre kaum verwunderlich, wenn es dann die radikalen Islamisten der Hamas sein werden, die ans Ruder kommen.

Wer sich in Israel über das nahende Ende der Ära Arafat freut, freut sich zu früh. Denn auch ohne Arafat bleibt der Kern des Konflikts - die israelische Besatzung. Scharon versuchte in den letzten Monaten den Widerstand gegen die Besatzung mit Gewalt niederzuschlagen - und das hat nicht funktioniert. Also versucht es nun mit mehr Gewalt, auch das wird nicht klappen. Deshalb ist letztlich auch Scharon am Ende seines Weges angekommen. Wie Arafat ist er unfähig, seinem Volk den Weg zu Frieden und Sicherheit zu weisen.

Den Israelis wird es noch schlimme Kopfschmerzen bereiten. Auch ohne Arafat werden die Palästinenser ihre Menschenrechte einfordern und werden verlangen, dass die Soldaten abziehen, dass die Siedler nach Israel zurückgehen und dass auch die Palästinenser die Chance erhalten, selbstbestimmt und in Frieden und Sicherheit zu leben.