Kein "Weiter so" beim Verfassungsschutz
16. Juli 2012Wie es in Medienberichten heißt, soll als Reaktion auf die gravierenden Fehler nach Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm auch der Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, ausgetauscht werden. Die "Bild"-Zeitung berichtet, Ziercke solle als Konsequenz aus den Pannen bei der Aufklärung des rechtsextremen 'Nationalsozialistischen Untergrunds' (NSU) noch zum Jahresende in den Ruhestand gehen. Ersetzen soll ihn der Chef des Leitungsstabes im Bundesverteidigungsministerium, Helmut Teichmann, der früher im Innenministerium die Polizeiabteilung leitete.
Für die Nachfolge des zurückgetretenen Verfassungsschutz-Chefs Fromm, der wie Ziercke Mitglied der SPD ist, zeichnet sich laut 'Bild' ebenfalls eine Entscheidung ab. Demnach soll Hans-Georg Maaßen, Ministerialdirigent im Bundesinnenministerium, das Kölner Bundesamt übernehmen. Maaßen leitet derzeit die Abteilung Terrorismus-Bekämpfung.
Reformen ja - aber wie ?
In der Bundesregierung gibt es allerdings unterschiedliche Vorstellungen zu einer Reform des Verfassungsschutzes. Innenminister Friedrich widersprach der Forderung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), nach kleineren Behörden beim Verfassungsschutz. Dieser müsse nicht kleiner, sondern effizienter werden, sagte Friedrich im 'Deutschlandradio Kultur'.
Die Bundesjustizministerin fordert eine stärkere Konzentration der Behörden und eine Zusammenlegung von Landesämtern für Verfassungsschutz. Außerdem müsse sich der Geheimdienst auf die wenigen Aufgaben konzentrieren, bei denen wirklich eine Gefahr für die Grundordnung drohe, sagte Leutheusser-Schnarrenberger dem 'Tagesspiegel'.
Demokratie-Verständnis statt Geheimhaltung
Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach sich für die Zusammenlegung von Ämtern aus. Zudem müsse ein großer Teil des Personals ausgetauscht werden - auf Bundes- wie auf Landesebene. "Dieser Fisch stinkt nicht nur vom Kopf her", sagte sie der 'Saarbrücker Zeitung'. Es gebe unter den Mitarbeitern "Illoyalität gegenüber ihren Vorgesetzten und dem Staat". Es würden aber Menschen benötigt, "die nicht die Geheimhaltung, sondern ein demokratisches Verständnis pflegen".
Derzeit gibt es ein Bundesamt und 16 Landesämter für Verfassungsschutz. Über eine Geheimdienst-Reform wurde bereits vor den Ermittlungspannen im Zusammenhang mit den Neonazi-Morden diskutiert. Nun hat die Debatte aber an Fahrt gewonnen. Bei dem Versuch, Taten des NSU aufzuklären, gab es eine Fülle von Fehlern und Versäumnissen. Unter anderem waren ohne Rücksprache mit der Politik Akten mit Angaben zu Rechtsextremen vernichtet worden. Ein "Weiter so" beim Verfassungsschutz kann es nach diesen Vorkomnissen nicht geben. Darüber besteht im Bundestag Konsens.
Neue Akten aufgetaucht
Derweil sollen im Zusammenhang mit der Neonazi-Terrorzelle NSU wieder neue Akten aufgetaucht sein, diesmal in Thüringen. In Archiven der Kriminalpolizei seien dort Tausende Dokumente gefunden worden, die 20 Ordner füllten, meldete MDR Thüringen. Sie enthielten Einzelheiten zu Ermittlungen gegen die rechtsextreme Vereinigung "Thüringer Heimatschutz", in der die drei mutmaßlichen Mitglieder der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) aktiv waren.
haz/gmf (afp, dpa)