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Kein Schlussstrich

Peter Philipp2. Mai 2003

Befriedet ist der Irak noch lange nicht. Und den Argumenten der USA, warum Krieg überhaupt notwendig war, könne man noch immer nicht folgen, meint Peter Philipp.

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Die Hauptschlacht sei geschlagen, meinte George W. Bush in einer dramaturgisch wohl inszenierten Rede an Bord des Flugzeugträgers Abraham Lincoln. Aber er hütete sich, den Krieg für beendet zu erklären oder von einem Sieg zu sprechen.

Um diese beiden Punkte überhaupt erwähnen zu können, bezeichnete der Präsident den Krieg gegen das Regime Saddam Husseins als Teil des Krieges gegen den Terrorismus - ein Krieg, der noch nicht vorbei, aber doch auch nicht endlos sei. Der Tag des endgültigen Sieges sei unbekannt, aber die Zeiten haben sich geändert.

Drei Wochen nach dem Fall der letzten wichtigeren Stadt im Irak – der Heimatstadt Saddam Husseins, Tikrit – eine wenig aufseheneregende Feststellung des US-Präsidenten. George W. Bush ging es aber wohl auch nicht darum, seinem Volk und der Welt etwas zu verkünden, was diese ohnehin schon wussten. Seine Botschaft hatte eindeutig andere Ziele:

Innenpolitisch sollte sie – quasi als Auftakt des Wahlkampfes – einen erfolgreichen Präsidenten darstellen, der sich nun den wirtschaftlichen Problemen des Landes zuwenden werde. Außenpolitisch sollte sie Washingtons Entschlossenheit unterstreichen, auch weiterhin notfalls im Alleingang gegen die erklärten Schuirken dieser Welt vorzugehen. Militärisch sollte die Rede einen Wendepunkt markieren, ohne aber bei möglichen neuen Zwischenfällen Lügen gestraft zu werden.

Und völkerrechtlich sollte die Rede Washington freie Hand lassen: Eine offizielle Beendigung des Krieges hätte die USA unter anderem verpflichtet, die rund 6000 irakischen Kriegsgefangenen freizulassen.

Um all dies zu erreichen, musste George W. Bush recht tief in die Trickkiste greifen. Und die Landung auf dem Flugzeugträger war dabei vermutlich nur der leichtere Part. Wichtiger scheint, dass Bush nun einen dritten Kriegsgrund geliefert und in den Vordergrund gestellt hat: den 11. September. Zuerst ging es um die vermeintlichen Massenvernichtungswaffen des Irak, dann um die Befreiung dieses von Diktatur unterdrückten Landes, jetzt war der Irak-Krieg Teil der Kampagne nach dem 11. September.

Solches mag sich in den USA noch gut verkaufen können, wo der Schock jener Terrorangriffe auf New York und Washington weiterhin tief sitzt. Weltweit aber wird man diesem Argument ebenso wenig folgen wie den ersten beiden:

Die Existenz der Massenvernichtungswaffen ist bis heute nicht bewiesen und Washingtons Erklärungsnot bringt immer größere Stilblüten zu Tage: Entweder, der Irak habe die Waffen noch schnell selbst zerstört oder aber, er sei wegen des Krieges nicht mehr dazu gekommen, sie fertig zu bauen.

Und die Demokratie? Selbst George W. Bush musste zugeben, dass der Weg dorthin noch sehr lange dauern und dass amerikanisches Militär dabei auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen werde. Unter anderem, weil man auch weiterhin die Mitglieder des alten Regimes suchen und festnehmen wolle.

Die Rede des Präsidenten zieht deswegen kaum einen Schlussstrich und sie markiert auch kaum einen Wendepunkt. Das wird am deutlichsten vielleicht darin, dass zur gleichen Zeit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld das Ende der wichtigsten militärischen Operationen in Afghanistan verkündete: Anderthalb Jahre nach den ersten Angriffen ist Afghanistan nicht befriedet, der Irak ist es anderthalb Monate nach dem Beginn des Krieges erst recht nicht.