Kein langes Palaver - Klatsch
3. September 2004"Nimm ein Ei mehr!", dieser alte Werbespruch des DDR-Handels prangte dieser Tage auf einem Plakat in Erfurt. Bei den Protesten gegen die Sozialreformen in Ostdeutschland ist das Ei als Wurfgeschoss beliebt. Kein langes Palaver - Klatsch. Zielscheibe von Eigelb-Attacken aus dem Hinterhalt waren unter anderem Bundeskanzler Gerhard Schröder und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck.
Kein Privileg der Ostdeutschen
Diese Woche wurde in Leipzig auch Oskar Lafontaine durch einen Ei-Wurf geadelt, obwohl er gar kein Amt mehr hat und gegen alles Böse ist. Lafontaine spalte mit seinen Reden die Gesellschaft, meinte der 38-jährige Werfer, bei dem es sich laut "Bild" um einen erst kürzlich aus Westdeutschland nach Leipzig zugewanderten Hausbesitzer handelt. Was zeigt, dass das Ei als Waffe im politischen Kampf längst kein Privileg der Unterprivilegierten oder gar der Ostdeutschen ist.
Was den Werfern allerdings zu fehlen scheint, ist Augenmaß. Nicht nur in politisch-argumentativer, sondern auch in ballistischer Hinsicht. Denn sämtliche Attacken verfehlten die Politiker und trafen stattdessen Leibwächter und begleitenden Journalisten. So sind Politiker heutzutage nicht mehr nicht zu erschüttern. Bei Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck setzt offenbar schon Gewöhnung ein: Es seien sehr intensive Debatten, so Platzeck, da flögen auch Eier, "das gehört in dieser aufgeheizten Atmosphäre fast dazu".
Wütend stürmend
Angesichts dessen erinnert sich der Berichterstatter voller Nostalgie des Auftretens von Helmut Kohl 1991 im ostdeutschen Halle an der Saale. Wütend stürmte der damalige Kanzler auf einen jugendlichen Ei-Werfer zu, um ihn zum Kampf Mann gegen Mann zu stellen. Nur die Leibwächter konnten den erbosten Kanzler zurückhalten. Allerdings: Kohl hatte, wegen bekannter Körpergröße und -fülle, den Eiern auch nicht ausweichen können.