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Kein Kampf gegen die Uhr

Peter Philipp16. Januar 2003

US-Präsident Bush drängt darauf, dass die UN-Waffenkontrolleure ihren Abschluss-Bericht über den Irak bis zum 27. Januar vorlegen. Doch die Inspektoren brauchen genügend Zeit für ihre Arbeit, kommentiert Peter Philipp.

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Als der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im November seine Resolution 1441 verabschiedete und damit unter anderem den erneuten Einsatz von UN-Rüstungsinspektoren im Irak beschloss, da setzte man diesen Experten eine knapp zweimonatige Frist: Am 27. Januar sollten sie ihren endgültigen Bericht darüber vorlegen, ob sie im Irak unerlaubte Waffen oder Vorbereitungsarbeiten dafür gefunden haben. Sollten die Inspektoren fündig werden und der Irak sich weigern, die gefundenen Waffen zu vernichten, dann drohe dem Zweistromland ein Krieg, denn dann werde die UNO entsprechende Maßnahmen beschließen. Der 27. Januar war seitdem als "Stichtag" für den von Washington betriebenen Krieg gehandelt worden. Saddam Hussein sollte unter massiven Druck gesetzt werden – zeitlich wie auch materiell, durch die Verlegung von Truppen und Material in die Region.

Inzwischen sieht es hingegen fast so aus, als gerieten alle anderen mehr unter Druck als der Bedrängte selbst: Je näher der Termin rückt, desto mehr werden etwa die Europäer, Russen und Türken aktiv, um den drohenden Krieg zu verhindern, desto mehr beginnt auch George W. Bush den Zwang seiner eigenen Rhetorik zu spüren – eventuell Krieg führen zu müssen, ohne Beweise für die Anschuldigungen gegenüber Saddam Hussein zu haben.

Mehr als alle anderen kommen aber die UN-Inspektoren unter Druck. Und sie haben dies wohl am allerwenigsten verdient. Denn sie tun ihren Job, wie ihnen aufgetragen, und ihnen kann man ja wohl kaum anlasten, dass sie nicht finden, was es vielleicht auch wirklich nicht gibt. Die stetigen Drohungen aus Washington hingegen versetzen die UN-Inspektoren in die unbequeme Lage, dass von Erfolg oder Misserfolg ihrer Arbeit abhängen könnte, ob es einen Krieg gibt oder nicht.

Sie versuchen sich, von diesem Druck zu befreien, indem sie – über ihren Chef Hans Blix – wissen lassen, dass ihre Arbeit unmöglich bis Ende Januar abgeschlossen werden könne und dass man mindestens noch einige Monate, vielleicht gar ein ganzes Jahr dafür benötige. Und sie wissen sehr wohl, dass solche Erklärungen den Interessen des Weißen Hauses zuwider laufen, dessen Hausherr ungeduldig mit den Füssen scharrt, um den Krieg endlich lostreten zu können, der eine Beseitigung Saddam Husseins bringen, mehr aber noch: ihm die Kontrolle über der Welt zweigrößte Erdölvorkommen bescheren soll.

Die UN-Inspektoren befinden sich deswegen zwischen Hammer und Amboss: Um ihre Arbeit motiviert anzugehen, müssen sie Saddam Hussein das Schlimmste unterstellen, von einigen kleineren Ausfällen abgesehen begegnen die Iraker ihnen aber höflich und zuvorkommend und lassen sie sogar in die Präsidentenpaläste herein. Und auf der anderen Seite steht der amerikanische Präsident, behauptet weiter, der Irak sei in dunkle und – vor allem – unerlaubte Waffenprojekte verstrickt, aber Bush liefert hierfür nicht die erforderlichen Beweise.

Diese sollen die Iraker nun selbst liefern. So fordert der amerikanische Präsident in einer eigenwilligen Interpretation der UN-Resolution 1441: Bagdad, das seit langem behauptet, nicht an Massenvernichtungswaffen zu bastelt oder solche zu besitzen, soll die Inspektoren zu deren Arsenale und Labors führen. Für den Irak gilt das juristische Prinzip nicht: Im Zweifel für den Angeklagten. Es wird ausgesetzt vom Präsidenten der größten Demokratie der Welt und dieser drängt die Inspektoren nun, ihm Ende Januar ein Alibi für einen Krieg zu liefern.

Es wäre verhängnisvoll, würden sie Bush entgegen kommen. Die Inspektoren sollten zunächst ausreichend Zeit bekommen für ihre Arbeit. Selbst wenn – oder auch gerade weil ? – dies bedeuten würde, dass ein Krieg vorerst nicht stattfinden kann. Man würde ja auch im normalen Leben keine Polizei-Untersuchung vorzeitig abbrechen, nur um an einem Termin für den Prozess festzuhalten...