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Kein Grund zur Panik

Daniel Scheschkewitz, Washington23. Juli 2002

Der WorldCom-Schock sitzt tief. Nach der größten Pleite der US-Geschichte brachen weltweit die Aktienkurse ein. Dennoch besteht kein Grund zur Sorge, meint DW-Korrespondent Daniel Scheschkewitz in Washington.

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Ron Sommer und die Telekom stehen nicht allein. Der Konkursantrag von WorldCom, dem zweitgrößten Telekommunikationsanbieter in den USA, ist nur ein weiterer Beleg dafür, wie die tief die Branche in der Krise steckt. Telekommunikationswerte haben in den vergangenen Jahren zwei Billionen US-Dollar an Wert verloren. Diese Dimensionen, verdeutlichen das Ausmaß der Krise an den Wertpapiermärkten. Potentiell wird dadurch sogar der Aufschwung in Amerika in Frage gestellt und das wiederum würde auch für Europa nichts Gutes bedeuten.

Der Konkursantrag wird jedoch für den Verbraucher zunächst einmal wenig ändern. Das amerikanische Konkursrecht schützt nicht nur die Gläubiger, sondern in diesem Fall auch die Verbraucher. Rund 20 Millionen WorldCom Kunden, die mit der Tochter MCI ihre Ferngespräche abwickeln, sind davon ebenso betroffen wie Internetkunden, wickelt WorldCom doch rund die Hälfte des weltweiten Internetverkehrs über seine Datennetze ab. Von den Dienstleistungen für das amerikanische Verteidgungsministerium gar nicht zu reden.

Der WorldCom-Absturz ist natürlich nicht zu trennen von den Bilanzskandalen der vergangenen Monate in den USA. Die um fast vier Milliarden Dollar geschönten WorldCom-Bilanzen für 2001 waren bereits Ausdruck der Krise, in der die Branche seit längerem steckt. Ihr Bekanntwerden jedoch hat den Niedergang des Unternehmens an der Börse noch einmal beschleunigt. Glasfiebernetze in Nordamerika und Europa, Telefongesellschaften von den USA bis nach Brasilien, weltweite Internetzugänge - das alles ist plötzlich nur noch ein Bruchteil dessen wert, was es einmal gekostet hat - damals, in der Boomphase der Branche, als Kredite billig waren und der Reichtum der Firma ins Unermessliche zu wachsen schien.

Natürlich haben sich in dieser Zeit die Manager und Vorstandsvorsitzenden eine goldene Nase verdient. Kleinanleger und entlassene Mitarbeiter sind dagegen die Betrogenen, jetzt, da sich heraustellt, dass der Preiskampf gnadenlos war. Aber haben wir nicht alle davon profitiert? Vom billigen Telefonieren, kostenlosen E-mails und billigen Zugängen zum weltweiten Netz?

Jetzt zu jammern, da die Blase platzt, ist Ausdruck einer fragwürdigen Doppelmoral. Panikmache ist unangebracht. Hinter WorldCom stehen - anders als bei den Betrugsbrüdern von 'Enron' - echte Werte. Die Chancen, das sich das Unternehmen in der Reorganisationsphase erholt, sind so schlecht nicht. Dafür spricht auch das Vertrauen der Kreditgeber, unter denen die Deutsche Bank übrigens ganz vorne steht.

Und doch wird es lange dauern, bis das Vertrauen der Anleger wieder wächst. Die Kräfte des Marktes konnten lange ungezügelt wirken und haben die Kurse auf Schwindel erregende Höhen getrieben. Von dort oben ist der Absturz tief. Tiefer, als es manch einer für möglich gehalten hätte.