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Haushaltsgipfel gescheitert

Christoph Hasselbach23. November 2012

Die Staats- und Regierungschefs sind ohne Einigung auf einen siebenjährigen Gemeinschaftshaushalt auseinandergegangen. Alles nicht so schlimm, sagen viele. Doch die Fronten sind verhärtet.

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Flaggen der EU-Länder Photo: Bernd Riegert, DW
Bild: DW

Der EU-Sondergipfel zum Mehrjahreshaushalt ist ohne Einigung zu Ende gegangen. Das war keine sonderlich große Überraschung: Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere hatten gleich bei der Ankunft in Brüssel am Donnerstag (22.11.2012) von dieser Möglichkeit gesprochen. Aber eine Enttäuschung ist das Ergebnis doch. Jetzt soll es im kommenden Jahr einen neuen Versuch geben. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy machte gute Miene zum bösen Spiel, als er sagte, die Diskussionen hätten "ein hinreichendes Maß an Annäherungsmöglichkeiten gezeigt, um Anfang kommenden Jahres eine Einigung zu ermöglichen."

Angespanntes Klima

Tatsächlich haben die Verhandlungen eher gezeigt, wie angespannt die Stimmung ist. In Zeiten der Wirtschafts- und Schuldenkrise, wo Milliardenhilfspakete geschnürt, Solidarität gefordert und im Gegenzug Sparprogramme durchgesetzt werden, färbt das Klima auch auf die Haushaltsverhandlungen ab. Zwei Tage lang hatte Van Rompuy versucht zu vermitteln, zum Teil in Einzelgesprächen, zum Teil im Plenum - vergeblich. Sein letzter Vorschlag sah ein Haushaltsvolumen von rund einer Billion Euro vor. Das lag etwa 100 Milliarden unter dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission. Aber die Einsparung reichte einigen der Nettozahlern nicht, also Ländern, die insgesamt mehr in die Gemeinschaftskasse einzahlen als sie herausbekommen. Zu diesen Ländern gehören zum Beispiel die Niederlande. Deren Regierungschef Mark Rutte argumentierte: "Wir sparen in den Niederlanden, wir sparen in ganz Europa. Und Europa muss auch deutlich machen, dass es bereit ist, den Gürtel enger zu schnallen."

Exit-Schild Photo: Bernd Riegert, DW
Ausweg gesucht: Impression aus dem EU-RatsgebäudeBild: DW/B. Riegert

Hollande macht sich zum Fürsprecher sämtlicher Empfänger

So sieht es grundsätzlich auch Nettozahler Deutschland. Deutschland will aber nicht nur Geld einsparen, sondern die Mittel auch anders einsetzen, zum Beispiel mehr in "Zukunftsbereiche" wie Bildung und Forschung investieren. Dagegen pocht etwa Frankreich weiterhin auf hohe Agrarsubventionen; die französischen Bauern profitieren besonders davon. Und die meisten der armen Länder im Osten und Süden der EU wollten auf keinen Fall Abstriche bei der Regionalförderung akzeptieren, die vor allem ihnen zugute kommt. Der französische Staatspräsident Francois Hollande versuchte, sich zum Fürsprecher aller Empfänger zu machen: "Ich habe darauf geachtet, dass die Interessen Frankreichs verteidigt, aber auch, dass die Interessen Europas gewahrt werden." Er versteht den EU-Haushalt vor allem als großes Wachstumsprogramm. Und in Krisenzeiten, so seine Meinung, muss der Haushalt deshalb besonders groß ausfallen.

Bundeskanzlerin Merkel lächelt Photo: AP
Merkel hat "Sympathien für alle"Bild: AP

Merkels neue Rolle

Frankreich stand damit klar auf der Gegenseite von Deutschland. Niemand ging aber in seinen Sparforderungen so weit wie der britische Premierminister David Cameron. Großbritannien stelle als Nettozahler zusammen mit anderen "die Schecks aus". "Wir sind doch nicht zuhause hart beim Haushalt, nur um hierherzukommen und großen Steigerungen bei den europäischen Ausgaben zuzustimmen." Cameron versuchte aber geschickt, aus der radikalen Ecke herauszukommen, in die ihn die meisten anderen Regierungschefs gestellt hatten. Er sah sein Land in einem Lager zusammen mit Deutschland, Schweden, den Niederlanden und Dänemark. Für sie alle sei der Kompromissvorschlag am Ende "nicht gut genug" gewesen sei.

Für gewisses Erstaunen sorgte das Gerücht aus britischen Verhandlungskreisen, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe "Sympathie" für die britische Haltung gezeigt. Darauf in ihrer Abschluss-Pressekonferenz angesprochen, zeigte Merkel Humor: "Besondere Sympathie habe ich zunächst einmal für meine eigene Position. Und dann habe ich für alle anderen 26 soviel Sympathie, dass Deutschland einen guten Beitrag leisten kann, um eine 27er Einigung hinzubekommen. Und da ist keiner ausgeschlossen von meiner Sympathie." Jedenfalls fiel Merkel offenbar beim Gipfel eine Rolle zu, die in letzter Zeit für sie ungewohnt ist, nämlich die der Vermittlerin. Monatelang galt sie in Europa immer nur als strenge Haushälterin, die anderen Ländern Disziplin aufzwingen will. Sie schien nun Freude an ihrer neuen Rolle zu haben. Doch es wird noch viel Vermittlungsgeschick nicht nur von ihr brauchen, um die unterschiedlichen Positionen im neuen Jahr zusammenzubringen.