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Kein Erholungsurlaub in Europa

Maik Meuser16. Oktober 2005

Er war die Hoffnung vieler Brasilianer. Heute entflieht der brasilianische Präsident den Korruptionsskandalen seiner Partei. Doch auch im freundlich gesonnenen Europa erwartet Lula keine Erholung.

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Brasiliens Präsident Lula unter Druck - zu Hause wie in EuropaBild: AP

Endlich mal raus, weit weg von den Nörglern in der Heimat. Mal durchatmen. Nein, die Rede ist nicht von Gerhard Schröder sondern von Brasiliens Präsident und linkem Hoffnungsträger Luiz Inácio Lula da Silva, unterwegs auf einer Europareise. Zu Hause in Brasilien herrscht Enttäuschung. Zu hoch waren die Erwartungen, vor allem der armen Bevölkerung an den Begründer der brasilianischen Arbeiterpartei. Das ist jetzt zweieinhalb Jahre her. In Europa hatte man die schwierige Lage für den linken Präsidenten etwas nüchterner eingeschätzt.

Korruptionsaffären rütteln am Vorzeigepolitiker

Unterstützer des Präsidentschaftskandidaten Luiz Inacio Lula feiern am Strand von Copacabana in Rio de Janeiro den Wahlsieg
Freude über den neuen Präsidenten im Oktober 2002Bild: AP

Zu einem der Regierungsziele hatte Lula den Kampf gegen die Korruption ausgegeben. Doch heute spricht man in Brasilien schon von der "Mexikanisierung des Staates" und meint damit eine Besetzung des Staatsapparates, um die eigene Regierungsmehrheit auch über die aktuelle Legislaturperiode hinaus zu sichern. Das freut die konservativen Kräfte im Land, die allerdings selbst seit Jahrzehnten mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen haben. Und sie feuern deshalb kräftig auf Lula und auf seine Mannschaft. Seit knapp vier Monaten toben die Vorwürfe. Etwa der Skandal um Stimmenkauf. Beschuldigt wurden vor allem Kabinettschef José Dirceu, aber auch andere Abgeordnete von Lulas Arbeiterpartei. Dirceu und die gesamte Spitze der linken Regierungspartei PT sind mittlerweile zurückgetreten. Und Lula? Das Ansehen des ehemaligen Gewerkschaftsführers aus ärmlichen Verhältnissen wankt aber es fällt nicht. Noch nicht, denn auch aus Washington kommt schadenfrohe Kritik am Präsidenten, dessen Süd-Süd-Diplomatie in einem von mitte-links beherrschten Lateinamerika dem Weißen Haus gar nicht gefällt.

Rinderseuche belastet die brasilianische Fleischindustrie

Pressekonferenz von Luiz Inacio Lula da Silva
Brasiliens Präsident vor seiner ersten AnspracheBild: AP

Jetzt also Europareise. Besuch bei den letzten Freunden. Aber auch hier erwartet den Präsidenten ein eher anstrengendes und konfrontatives Programm. Schon in Portugal wartete Überzeugungsarbeit auf ihn. Insgesamt 16.000 Brasilianer leben hier noch immer illegal, ein Problem, das die Beziehungen beider Länder belastet. Viel wichtiger aber ist dem Präsidenten der Umgang der Europäer mit dem Fleischimport aus Brasilien. Die EU hatte nach dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) im Bundesstaat Mato Grosso do Sul die Einfuhr von brasilianischem Fleisch aus dieser Region vorerst gestoppt. Brasiliens aufstrebende Fleischindustrie trifft das hart. Alleine die EU importiert knapp 60 Prozent des brasilianischen Fleischs. Durch besonders kostengünstige und qualitativ hochwertige Fleischproduktion war Brasilien in den letzten Jahren zum weltweit größten Rindfleischexporteur aufgestiegen. Brüssel kritisierte, die Regierung Lulas sei mit dem Ausbruch der MKS zu fahrlässig umgegangen.

Teilnahme am Iberoamerikanischen Gipfel in Salamanca

Iberoamerikanischer Gipfel in Salamanca
Lula und seine Kollegen beim Iberoamerikanischen Gipfel in SalamancaBild: AP

Wie gut, dass die zweite Station seiner Europareise Salamanca heißt. In Spaniens alter Universitätsstadt hatte in diesem Jahr der von vielen lateinamerikanischen Ländern als Scharnier zu Europa verstandene Iberoamerikanische Gipfel stattgefunden. Für Lula eine gute Möglichkeit zu versuchen, über die Spanier und Portugiesen die EU vom Embargo abzubringen. Während die EU kein Rindfleisch mehr aus der betroffenen Region Mato Grosso do Sul haben will, ist Russland rigoroser vorgegangen. Wie im Vorjahr hat Moskau sofort eine komplette Einfuhrsperre für brasilianisches Fleisch erlassen. Lula wird also auch am Ende seiner Europareise noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten haben, bevor er sie am Dienstag in Russland beendet.

Von Russland wieder zurück nach Brasilien

Zweiter Weltraumtourist auf dem Weg
Russische Sojus-Rakete beim Abschuss in KasachstanBild: AP

Danach geht es dann wieder zurück nach Brasilien, heim zu Korruptionsvorwürfen und einem kaum regierbaren Staat. Vorher aber wird er mit Putin über Marcos Pontes gesprochen haben. Über einen Brasilianer, der seinem Land noch weiter entfliehen wird, als es Lula mit seiner Europareise getan hat. Pontes soll der erste brasilianische Astronaut werden und im kommenden Jahr an Bord einer russischen Sojus-Kapsel aus der kasachischen Steppe ins All geschossen werden. Und vielleicht wäre Lula da im Moment auch ganz gerne.