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Heranrücken an Europa

6. Februar 2012

Neben Russland und China will Kasachstan zunehmend die EU für sich als dritten Partner gewinnen. Der Berlin-Besuch des kasachischen Präsidenten zeige dies, meinen Experten. Die Annäherung ist aber schwierig.

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Nasarbajew und Merkel bei einem Treffen im Februar 2009 in Berlin(Foto: AP)
Nasarbajew und Merkel bei einem Treffen im Februar 2009 in BerlinBild: AP

Am Mittwoch (08.02.2012) wird der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew zu einem Besuch in Berlin erwartet. Neben einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sind Gespräche bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sowie beim Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft vorgesehen. Mehrere Abkommen sollen während des Besuchs unterzeichnet werden. Das wichtigste ist das "Abkommen für die Partnerschaft im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich".

Portrait von Alexander Rahr (Foto: dpa)
Alexander Rahr sieht Vorteile durch deutsch-kasachische KooperationBild: picture-alliance/dpa

"Das ist ein einzigartiges Dokument im Bereich der Ressourcen-Partnerschaft, das alle Ideen der deutschen Ostpolitik beinhaltet", meint Alexander Rahr, Leiter des Bertholt-Beitz-Zentrums der DGAP. Ein ähnliches Abkommen gebe es bereits mit Russland. "Nun erhalten deutsche Unternehmen auch Zugang zu kasachischen Ressourcen, und Kasachstan bekommt im Gegenzug Präferenzen beim Erwerb von Technologien", so der Berliner Experte.

Auch Alexander von Hahn von der deutschen Orient-Zeitschrift "Zenith" sieht das deutsch-kasachische Partnerschaftsabkommen positiv. "Mit dem Abkommen bekommt Deutschland 'grünes Licht' für eine wirtschaftliche Expansion in der Region, die man in Berlin schon lange im Blick hat", betont von Hahn.

"Brücke zwischen Europa und Asien"

Die Regierung in Astana, so meinen Beobachter, wolle mit Nasarbajews Berlin-Besuch die Beziehungen zu Europa und vor allem zu Deutschland stärken. "Mit diesem Europa, mit diesem Deutschland will man eine strategische Zusammenarbeit entwickeln, aus eigenem Machtinteresse heraus, aus Erhaltung der eigenen Manövrierfähigkeit, um nicht nur zwischen China und Russland wählen zu müssen", erläutert der deutsche Zentralasienexperte Günter Knabe.

Aus politisch-strategischen Erwägungen heraus wolle Kasachstan an Europa - als einen dritten Partner - heranrücken. "Eurasien ist für die Kasachen wichtig, und zwar nicht das Eurasien, das Putin will, sondern das Eurasien, das Nasarbajew will, das heißt, sie möchten möglichst nah auch an Europa herankommen", erläutert Knabe. Der Politikexperte Alexander Rahr betont in diesem Zusammenhang: "Das Land sieht sich als wichtige Brücke zwischen Europa, Asien und der islamischen Welt."

Portrait von Günter Knabe (Foto: DW)
Günter Knabe betont strategische kasachische InteressenBild: DW

Die "Brücke Kasachstan" birgt aber auch Unsicherheiten. "Das Treffen mit Merkel setzt den Dialog in einer sehr schwierigen Zeit mit zunehmenden Unsicherheiten fort", meint von Hahn. Unsicher sei, wer nach einem Abtreten Nasarbajews die Führung des Landes übernehmen könnte. Auch die sich verändernde geopolitische Situation um Kasachstan - die zunehmende Krise in Russland, der anhaltende Bürgerkrieg in Afghanistan und die wirtschaftliche Expansion Chinas - berge Unsicherheiten, so von Hahn.

Menschenrechtler appellieren an Bundesregierung

Nicht nur Politiker und Wirtschaftsvertreter, sondern auch Menschenrechtler bereiten sich auf den Deutschland-Besuch des seit mehr als 20 Jahren autoritär regierenden kasachischen Präsidenten vor. Hugh Williamson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch findet, dass die deutsche Bundesregierung Nasarbajew auch auf die innenpolitische Lage in seinem Land, darunter auf Menschenrechtsfragen ansprechen sollte. "Es gibt drei wichtige Themen: die letzte Parlamentswahl, die Untersuchung der Tragödie in Schanaosen sowie Probleme des Arbeitsrechts in Kasachstan", sagte Williamson.

In der westkasachischen Stadt Schanaosen waren Ende 2011 zahlreiche Menschen ums Leben gekommen, als Proteste von Ölarbeitern für bessere Arbeitsbedingungen von Sicherheitskräften brutal niedergeschlagen wurden. Die Parlamentswahl, die Mitte Januar stattfand, wurde von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als undemokratisch kritisiert.

Hugh Williamson, Direktor der Europa- und Zentralasien-Abteilung von Human-Rights-Watch auf einer Podiumdiskussion in Berlin
Hugh Williamson kritisiert die Menschenrechtslage in KasachstanBild: Raum11/Jan Michalko

Kurz darauf gingen die kasachischen Behörden hart gegen Gegner des Nasarbajew-Regimes vor. Mehrere Oppositionelle wurden festgenommen. Sie sollen zum Sturz der bestehenden Staatsordnung aufgerufen haben, so der Vorwurf. Anstatt diejenigen zu bestrafen, die für die Eskalation der Gewalt in Schanaosen verantwortlich seien, würden "Säuberungen" unter Oppositionellen drohen, hieß es daraufhin in einer gemeinsamen Erklärung oppositioneller Parteien.

Autor: Mikhail Bushuev / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann