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Politik

Kartellvorwürfe: Autobauer in Erklärungsnot

22. Juli 2017

Die EU-Kommission prüft Informationen, denen zufolge sich VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler seit Jahrzehnten im Geheimen über Technik, Kosten und Zulieferer verständigt haben. Die Firmen hüllen sich in Schweigen.

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Deutschland VW Abgas-Skandal Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Über den Verdacht geheimer Absprachen deutscher Autobauer zum Schaden von Verbrauchern und Zulieferern berichtete zuerst das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Demzufolge sollen sich Vertreter von Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler schon seit den 1990er Jahren in geheimen Arbeitskreisen über die Technik ihrer Fahrzeuge, Kosten, Zulieferer, Märkte, Strategien und die Abgasreinigung verständigt haben. Es soll um alle Bereiche der Entwicklung gegangen sein, um Benzin- und Dieselmotoren, Bremsen, Kupplungen und Getriebe. Mehr als 200 Mitarbeiter seien involviert. Trifft dies zu, steht illegales Kartellverhalten im Raum.

Autobauer und Kartellhüter halten sich bedeckt

Die Unternehmen wollten sich zu den Vorwürfen bisher nicht näher äußern, Daimler und BMW sprachen von "Spekulationen". Der "Spiegel" beruft sich in seinem Bericht auf einen Schriftsatz, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerbsbehörden eingereicht haben soll. Dieser sei eine Art Selbstanzeige.

Das Bundeskartellamt erklärte mit Blick auf den Bericht: "Details laufender Verfahren können wir nicht kommentieren." Die EU-Kommission in Brüssel sagte der Deutschen Presse-Agentur zu dem angeblichen VW-Schriftsatz: "Zu diesem Thema geben wir keine Stellungnahme ab." Die EU-Wettbewerbsbehörden würden den Fall prüfen. Es sei zum jetzigen Zeitpunkt "verfrüht, weiter zu spekulieren", sagte ein Sprecher. Laut "Spiegel" hat die Kommission bei den beteiligten Unternehmen schon Unterlagen beschlagnahmt und erste Zeugen befragt.

Es könnte sehr teuer werden

"Die Kartellbehörden müssen ermitteln, die Vorwürfe detailliert untersuchen und gegebenenfalls notwendige Konsequenzen ziehen", sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. "Was schiefgelaufen ist, muss aufgeklärt werden", bekräftigte der CSU-Politiker. Das Thema erschwere zudem die Gespräche mit der Autoindustrie zur Reduzierung von Dieselabgasen. Auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) forderte Aufklärung, "ohne Ansehen von Personen oder Unternehmen". Es gehe um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der deutschen Automobilindustrie. "Alle sind gut beraten, jetzt umfassend mit den staatlichen Stellen zu kooperieren und für Transparenz zu sorgen. Die Zeit der Salamitaktik muss endgültig vorbei sein. Ohne umfassende Aufklärung kann Vertrauen nicht wiederhergestellt werden."

Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte: "Wenn sich der Kartellverdacht gegen VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler bewahrheitet, wäre dies nach den Betrügereien rund um den Diesel ein weiterer Tiefpunkt für die traditionsreiche deutsche Autobranche."

Treffen die Vorwürfe zu, könnte es sich um eines der größten Kartelle der deutschen Wirtschaftsgeschichte handeln. Hohe Strafen könnten fällig werden.

Experte spricht von "Super-GAU"

Kritik an der Branche und der Politik kam vom Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer. Die Politik habe die Unternehmen zu lange und zu stark geschützt, sagte der Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen dem MDR. "Und diese guten Beziehungen, sie waren eben zu gut. Man hat zu viel gemeinsam gemacht." Warnungen und Abmahnungen aus Brüssel über Stickoxide seien nicht ernst genommen worden.

Es sei in Deutschland alles getan worden, um die Autobranche und die Schlüsseltechnik Diesel zu schützen. Wenn die Autobauer etwa vereinbart hätten, das Verhalten bei Grenzwerten zu Umweltauflagen abzustimmen, wäre das für die deutsche Autoindustrie, "aber auch für die Politik in Berlin und in Brüssel der Super-GAU, ein Erdrutsch". "Die Glaubwürdigkeit wird noch stärker erschüttert. Kein Mensch glaubt mehr an den Diesel", sagte Dudenhöfer.

qu/stu (rtr, dpa, afp)