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Politische Jugendorganisationen

21. September 2009

Jede große Partei in Deutschland hat ihre eigene Jugendorganisation. Die orientieren sich an den etablierten Parteien, sind aber eigenständig organisiert. Und sie verstehen sich als Stachel im Fleisch ihrer Vorbilder.

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Grüne Jugend bei einer Aktion gegen Atomkraft (Foto: flickr / Bündnis 90/Die Grünen)
Alternativ und ökologisch: die Grüne JugendBild: flickr / BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bundeskanzlerin Angela Merkel gehörte dazu und Verteidigungsminister Franz-Josef Jung. Ebenso Bundesbildungsministerin Annette Schavan und Hessens Ministerpräsident Roland Koch: Sie alle waren einmal Mitglieder in der "Jungen Union Deutschlands" (JU), der Jugendvereinigung der beiden konservativen Parteien CDU und CSU. Mittlerweile sind die vier Polit-Profis längst zu alt geworden. Wer bei der JU mitmischen will, darf nicht älter sein als 35 Jahre. Doch für sie alle war die JU, gegründet 1947, sicherlich ein erster wichtiger Schritt auf dem politischen Karrieretreppchen.

Alle etablierten Parteien in Deutschland haben ihre eigenen jungen Ableger. Bei der SPD heißen sie "Jusos", eine Kurzform für Jungsozialistinnen und Jungsozialisten. Das Pendant bei den Grünen ist die "Grüne Jugend", und bei der FDP nennen sie sich "JuLis" – Junge Liberale. Auch die Partei DIE LINKE, selbst erst vor wenigen Jahren gegründet, hat mit der "Linksjugend ['solid]" ihre eigenen jungen Aktiven. Insgesamt engagieren sich in diesen fünf Gruppen deutschlandweit mehr als 220.000 Schüler und Auszubildende, Studierende und junge Berufstätige. Allein die zahlenstärkste JU hat fast 130.000 Mitglieder.

Gleichzeitig "JuLi" und "Juso" - das verträgt sich nicht


Die Mitglieder der Jugendorganisationen sind in der Regel zwischen 14 und 35 Jahre alt, nur die Mitglieder der "Grünen Jugend" müssen bereits mit 28 Jahren Abschied von der Jugend nehmen. Wer mitmachen will, braucht weder die deutsche Staatsbürgerschaft noch ein Parteibuch der etablierten Mutterpartei. Auch von den geringen Mitliedsbeiträgen – bei der Grünen Jugend beispielsweise 20 Euro jährlich – kann man sich notfalls befreien lassen. Einzig eine zweite Mitgliedschaft bei der politischen Konkurrenz ist nicht erlaubt.

Von der Jugendgruppe zur Parteimitgliedschaft

Die Kulanz hat ihre Gründe: Die Jugendgruppen sind nämlich nicht nur ein gutes Sprungbrett auf die große politische Bühne. Sie sind auch ein klassisches Eingangstor für künftige "echte" Parteimitglieder. Vollmitglied in einer Partei zu werden, sei für viele junge Menschen ein sehr großer Schritt, sagt Katrin Münch, Geschäftsführerin der Jusos. "Die Juso-Mitgliedschaft ist dagegen ein bewährtes Mittel, um junge Leute anzusprechen." Die 29-jährige Politikwissenschaftlerin ist selbst das beste Beispiel dafür. Seit acht Jahren gehört sie den Jusos an, der traditionsreichsten der Organisationen, die schon 1904 gegründet wurde. Heute ist sie SPD-Mitglied und verdient mit ihrem festen Job als Geschäftsführerin der Jusos ihr Geld bei der Partei.

Via Internet an die breite Masse

Gerade weil die Jugendorganisationen ein Eingangstor für Polit-Neulinge sind, lassen sie sich einiges einfallen, um neue Mitglieder zu gewinnen. Die Präsenz auf Internetplattformen wie studiVZ, Facebook oder Youtube gehört bei allen, egal welcher politischen Couleur, längst zum guten Ton, um die breite Masse anzusprechen. Die Wege, face-to-face Mitglieder anzuwerben, unterscheiden sich dagegen. Für die Junge Union etwa ist die Kombination aus Politik und Party erfolgversprechend. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Koalitionspartner und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier (SPD) sich jüngst im Fernsehen verbal duellierten, hat die Jung Union Mitglieder und Nicht-Mitglieder zu TV-Duell-Partys in Kneipen und Eiscafés eingeladen – und dabei gleich die Mitgliedsanträge ausgelegt.

Popcorn, Partys und Popkonzerte

Die Jusos dagegen halten vom Party-Recruitment wenig. Sie sprechen die junge Generation lieber über projektbezogene Arbeit an, zum Beispiel mit Kampagnen für junge Leute, die einen Ausbildungsplatz suchen. Ähnlich hält es die Grüne Jugend. Sie plant für Anfang Dezember ein bundesweites Seminar in Berlin, das Mitglieder und Nicht-Mitglieder auf die Klimakonferenz in Kopenhagen vorbereitet. Beim regelmäßigen Bundeskongress in Berlin können neue Mitglieder außerdem an einem Crash-Kurs über die innerparteilichen Gremienarbeit teilnehmen.

Einen für Deutschland neuen Weg gehen die JuLis im Superwahljahr 2009. Sie haben ein Freiwilligen-Programm gestartet, bei dem Nicht-Mitglieder die FDP unverbindlich im Bundestagswahlkampf unterstützen. "Mit diesem niedrigschwelligen Angebot wollen wir künftige Mitglieder werben", sagt Nils Droste, Pressereferent der JuLis. Ansonsten gilt auch hier der Spaßfaktor: JuLi-Mitglieder gehen auf Werbetour und verteilen Feuerzeuge in Kneipen und Popcorn vor Kinos.

Laut und links gehen dagegen die Aktiven der Linksjugend ['solid] auf die Jugendlichen zu, mit ihrer Kampagne "Aufmucken gegen Rechts", einem bundesweiten Konzert-Wettbewerb. Die Musiktitel der favorisierten Bands wurden auf 60.000 CDs gepresst und kostenfrei verteilt. Außerdem organisiert die Linksjugend ['solid] Sommercamps mit Workshops und Filmabende in Jugendclubs, um neue Mitglieder für sich zu gewinnen.

"Kein Bock auf Berufspolitik"

Gerade in einem Wahljahr wie 2009 seien die Jugendlichen aber ohnehin besonders aufgeschlossen für die Arbeit der parteipolitischen Organisationen, sagt Iris Burkhardt, Bundesgeschäftsführerin der Grünen Jugend. Die 22-jährige Geografie-Studentin ist seit sechs Jahren aktiv. Zu ihrem Job will sie ihr Engagement aber nicht machen. "Auf Berufspolitik habe ich keinen Bock", sagt sie. Sie wolle ihre Entscheidungen nach ihrem Gewissen treffen, nicht nach der Parteizugehörigkeit.

Überhaupt, das betonen alle Organisationen, dürfe man die Jugendgruppen nicht mit ihren etablierten großen Schwestern in einen Topf werfen. Die JuLis wollten "der Stachel im Fleisch der FDP sein", sagte der Bundesvorsitzende Johannes Vogel auf sueddeutsche.de. Und auch die anderen Jugendgruppen betonen gerne ihre inhaltliche und personelle Unabhängigkeit von den etablierten Parteien.

Nur die wenigsten landen in Top-Positionen

"Die Zahl derer, die später von ihrer politischen Arbeit leben können, ist sehr niedrig", sagt Nils Droste von den JuLis. Der 26-Jährige arbeitet täglich vier Stunden für die Organisation – neben seinem regulären Job. Ab dem nächsten Jahr ist damit Schluss. Denn Berufspolitiker will auch er nicht sein. Dabei dürfte er, zumindest dem Alter nach: Für ein Mandat im Bundestag muss man 18 Jahre alt sein, für das Amt des Bürgermeisters, je nach Bundesland, zwischen 18 und 25. Selbst Bundeskanzler müssen – theoretisch – nicht älter als 18 sein. Einzige Ausnahme: der Bundespräsident. Der ist in Deutschland mindestens 40 Jahre alt.

Stand der Linksjugend bei der Jugendmesse YOU 2008 in Berlin (Foto: flickr / Die Linke)
Sozialistisch und antifaschistisch: die Linksjugend ['solid]Bild: flickr / Die Linke
Ein Junger Liberaler (JuLi) beim FDP-Europaparteitag 2009 in Berlin (Foto: flickr / junge.liberale)
Freiheitlich und kritisch: die JuLisBild: flickr / junge.liberale
TV-Duell-Party der Jungen Union in Magdeburg (Foto: flickr / Junge Union Deutschlands)
Christlich-sozial und konservativ-fortschrittlich: die Junge UnionBild: flickr / Junge Union Deutschlands
Das Juso-Team Segeberg bei einer Aktion für ein offenes Europa (Foto: flickr / jusos.de)
Solidarisch und gerecht: die JusosBild: flickr / jusos.de


Autorin: Svenja Üing
Redaktion: Gaby Reucher