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Karneval zwischen Tradition und Kommerz

Christiane Hoffmann7. Februar 2004

Masken, Gaukler, Theater - in Venedig beginnt der Karneval. Das Motto in diesem Jahr: "Oriental Express". Der Karneval in Venedig war früher gelebter Exzess, heute ist er organisiertes Spektakel für Touristen.

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Venezianischer Karneval: <br>Spektakel mit TraditionBild: BilderBox


Arlecchino, Pulcinella und Pierrot - die traditionellen Figuren bestimmen in den nächsten zweieinhalb Wochen das Stadtbild von Venedig. Die Touristen erwartet ein Spektakel mit einem Hauch von Orient. Gaukler, Akrobaten und Theatergruppen aus China, Thailand und Japan spielen auf den Straßen rund um die Piazza San Marco, dem zentralen Platz von Venedig.

Doch es wird eng - anderthalb Millionen Touristen werden sich durch die engen Straßen drängeln, nur um einen Blick auf die Masken und reich dekorierten Kostüme zu werfen. Um dem Strom der Touristen Herr zu werden, hat die Polizei Einbahnstraßen für Fußgänger in den engen Gassen der Lagunenstadt eingeführt. Wer gegen den Strom schwimmt, muss bis zu 500 Euro Strafe zahlen. Für italienische Zeitungen ist das der erste Karnevalsscherz. Es scheint, dass die Anordnung nicht wirklich ernst genommen wird.

Karneval
Masken sind begehrte Fotomotive

Feiern bis Napoleon kommt

Denn in der Geschichte des Karneval hatte die "Obrigkeit" seit je her nie viel zu sagen, wenn es um Regeln ging, die das ausgelassene Treiben einschränken sollten. Gefeiert wird bereits seit der Stadtgründung im 11. Jahrhundert. Mehrmals in der Geschichte, im 13. und 15. Jahrhundert, wurde das Tragen von Masken verboten - "da unter ihrem Schutz Verbrechen und Betrug in die Stadt einzogen", so die Geschichtsschreiber.

Doch das nützte scheinbar wenig. Kostüm und Maske gehörten bis zum 18. Jahrhundert zum venzianischen

Stadtbild - zeitweise über mehrere Monate hinweg ließen die Menschen die Masken an. Ein Besucher aus Bordeaux notierte 1739: "Die Maske gehört zum Anzug." Und auch Johann Wolfgang Goethe lustwandelte in Maske und Tabarro - einem schwarzen Seidenmantel - durch die engen Gassen der Stadt und schrieb: "Es war mir die Lust angekommen, mir einen Tabarro anzuschaffen, denn man läuft schon mit der Maske. Hernach dauerte mich aber das Geld und bin ich ihnen nicht schon Maske genug?" Teuer war der Karneval

Karneval in Venedig Maske
Immer häufiger stecken Deutsche, Franzosen und Engländer unter den KostümenBild: BilderBox

offenbar schon im 18. Jahrhundert als er erste touristische Züge annahm.


Mit Hilfe von Masken und rauschenden Festen flüchteten die Venezianer in schwierigen Zeiten aus der Realität - und verprassten so den Reichtum der berühmten Handelsmetropole. 1797 nahm der Karneval ein jähes Ende - Napoleon stand mit seinen Truppen vor der Stadt - in den zwei folgenden Jahrhunderten gab es einige wenige Wiederbelebungsversuche. Doch das geheimnisumwobene Flair des Karnevals war dahin.

Karneval in Venedig
Die Hauptattraktion des Karneval - der Umzug über Straßen und Plätze von VenedigBild: AP

Karneval für die Touristen

Für den schnöden Mammon hat Venedig den Glanz in den 1980er Jahren wieder aufleben lassen. Die ganze Stadt verwandelte sich zur Kulisse und ist heute eine Großveranstaltung mit Sponsoring und immer mehr Kommerz. Der Karneval von Venedig - damit der Touristenstrom auch im Winter nicht abreißt.

"Die Venezianer selbst drängen immer wieder darauf, das Fest in seiner derzeitigen Form abzuschaffen, um die überbordenen Ausmaße einzudämmen", schreibt Brigit Weichmann von der Berliner Humboldt-Universität in einer Studie über den venezianischen Karneval. Und: "Der heutige Karneval ist ein Fest der Fremden geworden. Die Venezianer ziehen sich in private Palazzi zu exklusiven Bällen zurück. Unter den Masken hört man immer häufiger deutsch, französisch und englisch."