1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ägypten gerät nach Anschlag unter Druck

3. Januar 2011

Die Bundesregierung hat den Anschlag auf koptische Christen scharf verurteilt. Kanzlerin Merkel äußerte Abscheu und Entsetzen. Außenminister Westerwelle verlangte von Ägypten einen besseren Schutz von Christen.

https://p.dw.com/p/zsuA
Eine Menschenmenge mit Kreuzen belagert einen dunklen Pkw (Foto: ap)
In Kairo machten koptische Christen ihrer Wut LuftBild: AP

Der schreckliche Anschlag auf koptische Christen in Alexandria habe bei ihr Abscheu und Entsetzen hervorgerufen, schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag (03.01.2011) in einem Beileidstelegramm an den ägyptischen Staatschef Husni Mubarak. Darin heißt es weiter, aufs Schärfste verurteile die deutsche Bundesregierung den "barbarischen Terrorakt", bei dem Christen, aber auch Muslime ihr Leben verloren hätten.

Außenminister Guido Westerwelle unterstrich in einem Telefongespräch mit seinem ägyptischen Kollegen Abould Gheit, dass alles getan werden müsse, um Christen und andere religiöse Gruppen gegen Übergriffe und Gewalt durch Extremisten zu schützen. Gheit sagte laut Mitteilung des Auswärtigen Amtes, in Ägypten werde mit Hochdruck daran gearbeitet, die Drahtzieher des Anschlags aufzuspüren.

Viele Tote und Verletzte

Bei dem Selbstmordanschlag nach einer Messe in Alexandria waren in der Silvesternacht mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen, die meisten von ihnen waren koptische Christen. Dutzende weitere Menschen wurden verletzt. Es war der schwerste Anschlag auf Christen in Ägypten seit 1999. Die Hintergründe der Tat sind unklar. Die ägyptische Regierung machte "ausländische Kräfte" dafür verantwortlich. Die St. Markus- und Petri-Kirche, vor der die Bombe gezündet wurde, ist eines der größten Gotteshäuser der Kopten in Alexandria.

Ein koptischer Christ singt in der Kapelle des koptischen Klosters St. Antonius in Waldsolms-Kröffelbach mit anderen Novizen einen liturgischen Gesang (Archivfoto: dpa)
In Deutschland gehören den Kopten etwa 10.000 Gläubige anBild: picture alliance/dpa

Dialog statt Sanktionen

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), sprach sich gegen mögliche Sanktionen aus. Druck müsse stattdessen auf dem Wege des Dialogs und über Entwicklungszusammenarbeit ausgeübt werden. "Mit Sanktionen wird da wenig zu machen sein", sagte Kauder im Deutschlandfunk. Deutschland müsse das Problem der Christenverfolgung auf internationaler Ebene präsent halten: "Die Christen in der Welt haben unsere Solidarität dringend nötig." Kauder forderte zudem vom Zentralrat der Muslime in Deutschland eine deutliche Distanzierung von der Gewalt.

CDU-Vizeparteivorsitzende Annette Schavan rief muslimische Würdenträger in aller Welt dazu auf, sich von Gewalt gegen andere Religionen zu distanzieren. "Muslimische Autoritäten in Kairo und anderswo müssen eindeutig Stellung beziehen gegen jede Form von Gewalt im Namen ihrer Religion", sagte die Bundesbildungsministerin. "Es gibt keinen Frieden der Völker ohne den Frieden der Religionen."

Der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck erklärte: "Ägypten und andere Staaten müssen dem Ungeist religiöser Intoleranz wirksam entgegentreten." Der "Frankfurter Rundschau" sagte Beck, de facto sei Ägypten eine Diktatur. "Der Westen aber schaut aus außenpolitischer Rücksichtnahme auf das Regime Mubarak systematisch weg." Deutschland habe seine Möglichkeiten zur Einflussnahme "bei weitem nicht ausgeschöpft." Beck sprach sich zudem dafür aus, außen- und entwicklungspolitische Vereinbarungen an Bedingungen hinsichtlich der Menschenrechtslage zu knüpfen, insbesondere bei staatlicher Budgethilfe. Beck ist der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag.

Furcht vor Anschlag in Deutschland

Auch die etwa 10.000 Kopten in Deutschland fürchten nach Terrordrohungen um ihre Sicherheit. Der koptische Bischof für Deutschland, Anba Damian, sagte im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk, das Bundeskriminalamt habe koptische Priester bereits vor möglichen Bedrohungen gewarnt. So sei im Internet, vor allem im Bereich Hessen, ein Plan im Umlauf, demzufolge in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar Kopten Zielscheibe von terroristischen Aktivitäten werden könnten. Von der deutschen Gesellschaft fühle er sich "bestens integriert", betonte der Bischof. Man habe viele Freunde und Förderer und genieße Respekt, Liebe und Herzlichkeit.

Umgestürztes Autowrack, dahinter protestierende Menschen in der Dunkelheit (Foto: dapd)
Der Attentäter riss 21 Gläubige mit in den TodBild: AP

Die Terrortat wurde auch von Politikern in vielen anderen Ländern verurteilt - unter anderem von US-Präsident Barack Obama, von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und von Papst Benedikt XVI., der beim Neujahrsgottesdienst im Petersdom nachdrücklich Religionsfreiheit überall auf der Welt anmahnte.

Diskriminierung

Der ägyptische Präsident Husni Mubarak rief alle Ägypter, ob Christen oder Muslime, zu Geschlossenheit bei der Bekämpfung des Terrorismus auf. Der regierungsamtlichen Darstellung, dass hinter dem Anschlag "ausländische Kräfte" stünden, widersprach jedoch die koptische Kirche in Ägypten. In einer am Sonntag verbreiteten Erklärung hieß es: "Der Anschlag ist das Ergebnis der anhaltenden konfessionellen Stimmungsmache der vergangenen Monate."

Ägypten ist das Land mit der anteilmäßig größten christlichen Bevölkerung im Nahen Osten. Rund zehn Prozent der etwa 80 Millionen Einwohner sind Christen. Die meisten davon gehören der koptisch-orthodoxen Kirche an, die bereits seit dem ersten Jahrhundert nach Christus existiert und damit zu den ältesten Kirchen der Welt gehört. In den vergangenen Jahren wurden Christen und christliche Einrichtungen in Ägypten immer wieder Ziel gewaltsamer Übergriffe.

Am Sonntagabend bewarfen wütende Christen eine Moschee in der Nähe des Anschlagsortes mit Steinen. Die Polizei trieb die Menge auseinander. Auch in der Kairoer Innenstadt gab es Demonstrationen koptischer Christen, bei denen es zu Zusammenstößen mit der Polizei kam. 39 Angehörige der Sicherheitskräfte und zwei Passanten wurden dabei nach offiziellen Angaben verletzt.

Autor: Martin Schrader/Eleonore Uhlich (afp, dapd, dpa, epd, kna)

Redaktion: Thomas Grimmer