1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wer regiert künftig in Schleswig-Holstein?

Bernd Gräßler7. Mai 2012

Die SPD frohlockt über die Abwahl von Schwarz-Gelb in Schleswig-Holstein, die FDP über ihr eigenes Comeback, die Kanzlerin zeigt sich wenig beeindruckt. Doch in Merkels Machtkalkül gibt es eine neue Unbekannte.

https://p.dw.com/p/14rBL
Angela Merkel mit CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager (Foto: dapd)
Bild: dapd

Noch ist offen, wie die künftige Landesregierung in Schleswig-Holstein aussehen wird. Klar ist allerdings, dass es nicht wieder für eine gemeinsame Regierung von CDU und FDP reicht, weil beide Parteien zusammen neun Prozent der Wählerstimmen in dem norddeutschen Küstenland verloren haben. SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht deshalb auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (im Artikelbild mit CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager) geschwächt, die in Berlin ebenfalls zusammen mit den Liberalen regiert. Sie habe die zehnte Wahl in Folge "ohne ihre Lieblingsmehrheit" abgeschlossen, frohlockte Gabriel und setzte hinzu: "Seit zweieinhalb Jahren kommt Frau Merkel zusammen mit der FDP nur knapp über 40 Prozent, sie hat keine Mehrheit mehr für ihre Politik in Deutschland".

Die oppositionellen Sozialdemokraten ihrerseits fühlen sich derzeit gleich dreifach ermuntert: Durch die Aussicht auf einen weiteren Ministerpräsidentenposten in Schleswig-Holstein, durch die von Umfragen geschürte Chance auf einen Wahlsieg bei den Landtagswahlen im Bundesland Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag (13.05.2012) und durch den Triumph des Sozialisten Hollande im benachbarten Frankreich.

Wolfgang Kubicki (Foto: Reuters)
FDP-Rebell und Retter Wolfgang KubickiBild: Reuters

Selbstbewusste SPD droht mit dem Bundesrat

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles drohte der Regierung Merkel erneut damit, im Bundesrat die Ratifizierung des Fiskalpaktes zur Euro-Stabilisierung scheitern zu lassen, wenn dieser nicht durch einen Wachstumspakt und die Einführung einer Börsenumsatzsteuer ergänzt werde. Im Bundesrat, der Länderkammer, hat Schwarz-Gelb bereits seit zwei Jahren keine eigene Mehrheit mehr, durch die Niederlage in Kiel verliert die Koalition vier weitere Stimmen. Kanzlerin Merkel lehnte am Montag "durch Schulden finanzierte Konjunkturprogramme" in Europa erneut ab, verwies aber darauf, dass der Europäische Rat eine "Wachstumsagenda" bereits vereinbart habe, die im Juni vorgelegt werde. Trotz der für sie eher unerfreulichen Nachrichten aus Frankreich, Griechenland und Schleswig-Holstein am Sonntag (06.05.2012) gab sich die Kanzlerin in Berlin gelassen. Sie spüre "keine qualitative Veränderung in ihrem Leben", witzelte sie auf eine Journalistenfrage hin.

Gedämpfte Begeisterung für ein "gutes Signal"
Als "gutes Signal" wertete Frau Merkel, dass ihr liberaler Regierungspartner FDP entgegen vieler Erwartungen wieder den Sprung in den Kieler Landtag geschafft hat. Sollte dies auch am kommenden Wochenende in Nordrhein-Westfalen gelingen, dürften aus der Sicht vieler Beobachter auch Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der Berliner Regierungskoalition vorerst erledigt sein. Auf der Pressekonferenz in Berlin hielt sich Merkels Begeisterung über den FDP-Achtungserfolg allerdings hörbar in Grenzen. Der in Schleswig-Holstein erfolgreiche liberale Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki liegt nämlich in wichtigen Positionen, wie der Börsenumsatzsteuer, dem Mindestlohn, der Energiepolitik nicht unbedingt auf der Linie Merkels und seiner eigenen Parteiführung. Der eigenwillige Landespolitiker reiste entgegen der Gepflogenheiten auch am Tag nach der Wahl nicht zur Sitzung der FDP-Spitzengremien nach Berlin.

Sigmar Gabriel (Foto: dapd)
Sigmar Gabriel: "Merkel hat keine Mehrheit mehr für ihre Politik"Bild: dapd

Die Piraten - neue Unbekannte für Merkels Machtkalkül

Die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein offenbarten auch die immer wichtigere Rolle kleinerer Parteien in Deutschland. "Kaum haben wir die Linken in die Flucht geschlagen, kommt die Piratenpartei um die Ecke", beklagte sich der SPD-Politiker Thomas Oppermann. Während die Linken den Sprung in den Kieler Landtag nicht wieder schafften, ist die Piratenpartei aus dem Stand mit über acht Prozent zu einem Auffangbecken für Protestwähler geworden. Das bringe die "Restsicherheit in Sachen Koalitionen vollends durcheinander" analysierte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Emnid, Klaus-Peter Schöppner.

Die noch mit der inhaltlichen Selbstfindung beschäftigte Partei fällt zwar vorerst für Koalitionen aus, verhindert andererseits aber beispielsweise in Kiel eigenständige Mehrheiten für Schwarz-Gelb oder für SPD und Grünen, also Rot-Grün. Auch für die machtbewusste Kanzlerin Angela Merkel sind die Piraten eine neue, große Unbekannte auf ihrem Weg zu einer möglichen dritten Kanzlerschaft 2013.